Knallig-buntes Leben in der Antike
Hero ist ein gut aussehender römischer Jüngling, auf den jede Frau fliegen würde. Allein: Mama und Papa halten ihn wie ein Kind – und vor allem fernab von jedem weiblichen Geschlecht. Klar, dass das nicht lange gut gehen kann! Und es geht auch nicht gut in Stephen Sondheims 1962 in New York uraufgeführtem Musical Die spinnen, die Römer. Denn da ist die hübsche, wenngleich strohdumme Philia, für die Heros Herz schlägt. Schade, dass eben diese Philia bereits verkauft ist. Ja, verkauft von Marcus Lycus, dem Kurtisanenhändler von nebenan. Aber ist da nicht doch noch irgend etwas zu machen? Es ist! Und schon beginnt ein unglaubliches Hin und Her, ein taktisches Spielchen, in dem jede Menge Personal aufgefahren wird, Rollen vertauscht werden, notgedrungen gelogen wird, bis sich die Balken biegen.
Auch wenn Sondheims Musical im alten Rom spielt, kommt einem das Handlungsmuster doch sehr bekannt vor. Da werden falsche Identitäten angenommen, tauchen verloren geglaubte Kinder auf, ja sogar ein Tod wird vorgetäuscht auf dem Weg zum Happy End. Alle Zutaten zu einer guten, alten Boulevard-Komödie sind gegeben.
Und entsprechend sieht auch Lena Brexendorffs Bühne aus. Drei Häuser, in deren Wänden Puzzle-Teile fehlen, und dazu jede Menge Türen für jede Menge plötzliche Auf- und Abgänge. Knallbunte Kostüme, falsche Muskeln und diverse Running Gags schaffen ein gelungenes Ambiente, wie auch Comic-Anleihen. Sogar der Asterix-Pösewicht-Sprachfehler ist vertreten.
Regisseurin Annette Wolf geht den einzig gangbaren Weg. Sie setzt voll auf überdrehte Action bis hin zum Klamauk, integriert den Chor wunderbar ins Geschehen mit ganz vielen kleinen komischen Momenten. Dennoch funktioniert das Stück nicht richtig, kommt nicht wirklich auf Touren. Das liegt zum einen daran, dass die gesprochenen Passagen sehr lang und manchmal auch langatmig sind. Die in Hagen gespielte Fassung ist sicher kein Optimum. Sondheims Songs – weitgehend dem Swing der fünfziger Jahre verpflichtet – treten da sehr zurück. Und Die spinnen, die Römer ist sicher auch nicht sein bestes Stück; denn was man in Hagen aus einem wirklich guten Sondheim zu machen vermag, hat das Ensemble mit Sweeney Todd und Into the Woods in der Vergangenheit aufs Schönste bewiesen.
Am Ensemble liegt es diesmal sicher nicht, dass Die spinnen, die Römer nicht wirklich zündet. Denn alle werfen sich mit Feuereifer ins Geschehen. Allen voran Rainer Zaun als strippenziehender Sklave Pseudolus, der ungeheuer komisches Talent beweist. Das gilt auch für Richard van Gemert als Hysterium, der seinem Namen alle Ehre macht und voller Panikattacken durch die Handlung stolpert. Auch Rolf A. Scheider als geldgieriger Kurtisanenhändler, Tillmann Schnieders als Hero im ersten und Christoph Scheeben als sein Vater Senex im zweiten Frühling füllen ihre Typen voll aus. Auch Kenneth Mattice macht als schöner, wenn auch tumber Soldat Gloriosus eine gute Figur.
Und ebenso die Damen: Marilyn Bennett ist eine richtig prächtige Domina (da gilt ebenfalls „nomen est omen“) und Maria Klier eine wunderbar „blonde“ Philia.
Das Hagener Orchester und Steffen Müller-Gabriel sind adäquate Partner für das knallig bunte Geschehen auf der Bühne. Das Publikum lässt sich bisweilen animieren, reagiert aber eher verhalten.