Übrigens …

Solaris im Köln, Oper

Mit Klarheit und Eleganz

Musikalisch ist dieser Abend perfekt wie selten einer. Lothar Zagrosek gestaltet mit dem Gürzenich-Orchester scheinbar anstrengungslos Glanerts schlank, wie gedämpft schillerndes Farbenmeer und trägt die Sänger auf den Fingerkuppen. Die danken es sämtlich mit feinst ausdifferenziertem, nie verkrampftem und meistens sogar textverständlichem Schöngesang. Der Chor ergänzt, entspannt wie selten, mit nie ruppiger Klangfülle.

Detlev Glanert ist kein dezidierter Neutöner. Er ist Theaterkomponist. Er gestaltet dramatische Vorgänge, denen er seine musikalischen Innovationen anpasst, ohne dabei je seine Vorbilder Henze, Berg und Strauss zu leugnen.

Der Regisseur allerdings hat es schwer mit Solari“. Denn Reinhard Palm hat nicht nur Szenen aus Stanislaw Lems Kultroman aus dem Jahr 1961 ausgewählt, er hat diese auch verändert, ihnen kleinteilige, die Figuren analysierende Psychologie und viel philosophischen Diskussionsstoff verabreicht – wohl zu Lasten szenischer Gestaltungsmöglichkeiten. Patrick Kinmonth unterzieht sich der undankbaren Aufgabe zumindest optisch mit Klarheit und Eleganz.

Die Bühne von Darko Petrovic ist mit Wasser bedeckt. Daraus ragen Metallstützen hervor, auf denen die Reste eines Betonsockels gelagert sind. Die Raumstation, auf der die dreiköpfige Besatzung den den Planten beherrschenden Gallert-Ozean untersuchen will, in Wirklichkeit aber diesem als Forschungsgegenstand dient. Er erschafft plastische Einbildungsfiguren, von Menschen nicht zu unterscheiden, konfrontiert die Männer mit ihren Ängsten, Traumata, Sehn- und anderen Süchten – mit weiblichen Wesen.

Dazu planscht der das Gehirn des Ozeans andeutende Chor in blau-grauer Alltagskleidung gelassen durchs Wasser und bewegt sich in einfachen Choreographien, die am Anfang auch mal nach VHS-Kurs aussehen, meistens in Wellenbewegungen. Je mehr Präsenz der Opernchor bekommt, desto spannender, intensiver läuft der Auftritt.

In unregelmäßigen Abständen lässt Kinmonth Schwarzblenden über die Bühne fahren, mal blank, mal mit Zahlenketten oder Sternbildern bedeckt. So transportiert er – auf der dem Publikum abgekehrten Seite – die Figuren in die Raumstation und behauptet so Künstlichkeit, filmisch inspirierten Anti-Realismus. Dort angekommen weiß er allerdings nicht immer etwas seinen Protagonisten anzufangen. Solange er bei wenigen, klaren Gesten bleibt, funktioniert das gewählte Bildprinzip. Wenn die Figuren kleine Dinge tun, sich umziehen, trinken, sich kratzen, besessen irgendwelche Knöpfe drücken, werden sie uninteressant. Es ist bezeichnet, dass die in der Musik angelegte Weitung ins Kosmische zum Ende gelingt, weil die Hauptfigur Kelvin – nichts macht.

Außer natürlich zu singen. Nikolay Borchev hat dafür einen frei schwingenden, farbenreichen lyrischen Bariton zur Verfügung, den er mit technischer Perfektion und Musizierfreude einsetzt. Martin Koch steht ihm als Kollege Snaut in Nichts nach, gebietet über die Lyrismen nach der Pause genauso entspannt wie über die Charaktertenor-Schärfen der Partie. Dritter im Bunde der Kosmonauten ist Bjarni Thor Kristinsson, der den Physiker Sartorius mit knorrigem, perfekt sitzendem Bass lustvoll charakterisiert und karikiert. Ihnen entgegen steht Aoife Miskelly als Kelvins freiwillig aus dem Leben geschiedene Frau, die der Ozean wieder zum Leben erweckt. Sie singt bestrickende, nie wabernde weiche Linien und fängt damit nicht nur ihren Ex-Mann ein. In den kleinen, sehr bizarren Rollen brillieren Dalia Schaechter, Hanna Herfurtner und besonders Quilin Zhang mit bodentiefem Alt. Das Publikum, zur Pause noch unentschieden, feierte alle Beteiligten ausgiebig.