Tümelnd
Menschenhandel – ein Problem unserer Zeit, keine Frage. Aber darum geht es nicht in Bedrich Smetanas Oper Die verkaufte Braut. Auch wenn der Zaster eine große Rolle spielt, denn er ist der Grund, weshalb Herr Krusina seine Tochter Marie dem Sohn des Gutsbesitzers Micha versprochen hat. Der Deal würde bei Krusina dafür sorgen, dass er am Ende schuldenfrei dasteht. Und bei Marie sorgt er für Widerwillen. Weil sie partout niemanden heiraten will, den sie gar nicht kennt. Zumal sie ja Hans hat, ihren Geliebten – eine Liebe, die auf Gegenseitigkeit beruht.
Regisseurin Yona Kim und ihr Regieteam (Kristopher Kempf, Hugo Holger Schneider) stecken sämtliches Personal dieser 1866 uraufgeführten Oper in heutige Kostüme, erfinden einen Schauplatz, der den Charme einer Lagerhalle verströmt, die wiederum offensichtlich gern als Location für Feste aller Art genutzt wird. Im Hintergrund die Silhouette von Münster mit Paulusdom und Prinzipalmarkt. Das ist alles ganz nett anzusehen und kommt auch farbenfreudig daher – aber trägt nicht dauerhaft über drei Stunden Musik zu einer Geschichte, bei der man sich von Anfang an fragt: was geht sie mich heute an? Zumal diese Geschichte sprachlich auf eine Weise transportiert wird, die schlichtweg nervt. Kaum eine Sequenz, die nicht zwei-, dreimal wiederholt wird in ewig gleichem Duktus. Daran ist Smetana schuld. Und dafür hat der Engländer die passende Vokabel „boring“... Auch die Tatsache, dass Kecal, der plumpe Heiratsvermittler, offensichtlich nichts anderes kann, als seinen eigenen riesigen Verstand fortwährend zu rühmen, wird schnell unerträglich. Wenzels Gestottere? Nun ja, auch das ist nur bedingte Zeit zu goutieren.
Bei aller Liebe zu Smetana: seine Verkaufte Braut hat sich überlebt, zumal die deutsche Übersetzung von Kurt Honolka das Altmodische, Altbackene des Sujets noch drastisch steigert. Hier tümelt es. Und mitunter auch das Geschehen auf der Bühne, wenn immer wieder Krusinas Bierstand in die Mitte der Lagerhalle geschoben wird, die Männer saufen, während die Frauen auf der Toilette das Haupthaar in Form bringen und sich ihre Lippen nachziehen. Kim kehrt den Spieß einmal um und lässt die Damen auch mal kräftig an den gefüllten Humpen saugen. Aber was soll’s...
Musikalisch ist der Premierenabend in Ordnung, wenngleich Dirigent Stefan Veselka keine großen Funken aus der Partitur schlägt, die doch recht einförmig aus dem Orchestergraben tönt. Gesungen wird ordentlich: Gregor Dalal überzeugt als provisionsgeiler Kecal, Boris Leisenheimer als schüchterner und irgendwie auch nicht ganz lebenstauglicher Wenzel. Daniel Ohlmann steht dagegen als Hans mit beiden Beinen im Leben, macht aus seiner Verliebtheit in Marie nie einen Hehl (klingt in der Höhe indes immer etwas eng und angestrengt) und Lisa Wedekind gibt die risolute Kneipenwirtin Ludmilla. Stimmlich ausgezeichnet Sara Rossi Daldoss als Marie – mit dem empfindlichen Mangel, dass sie das deutsche Idiom nicht beherrscht. Opernchor und Extrachor des Theaters sind das bunte Völkchen in der Location, dem beim Singen jede Bewegung ausgetrieben wurde. Stattdessen steht eine Dirigentin (Inna Batyuk, auch im echten Leben Dirigenten dieser Chöre) vor der klangvollen Schar.
Alles in allem eine solide Arbeit an einem Stück, das in dieser Lesart heute nicht mehr viel zu sagen hat.