Eine Lehrstunde über menschliches Machtgebahren im Büro
Thorsten Duit inszenierte am Rheinischen Landestheater Neuss mit viel Aufwand und Liebe zum Detail das Musical „Das Apartment“. Billy Wilders mehrfach ausgezeichneter Film von 1960 stand Pate zu dieser Produktion. Der Text wurde vom Broadway-Erfolgsautor Neil Simon verfasst, der berühmte Komponist Burt Bacharach zeichnete verantwortlich für die Songs. Schon im Film wird in dieser Komödie ein kritischer Blick auf gesellschaftliche Zustände – hier die sozialen Kontakte innerhalb eines großen Versicherungskonzerns – geworfen. Wie verhalten sich Menschen in Machtpositionen, wie manipulieren sie ihre Untergebenen? Ein Vergleich mit dem Tierreich liegt nahe, sind doch auch bei Menschen bestimmte Triebe der Motor für ihr Verhalten. Machtbesitz bedeutet immer, im Vorteil gegenüber den anderen in der Gruppe, im Team zu sein.
Chuck Baxter ist ein kleiner Angestellter eines Versicherungskonzerns mit hochfliegenden Träumen. Er möchte die Karriereleiter erklimmen und zudem das Herz der reizenden Fahrstuhlführerin Fran Kubelik erobern, die nichts von seinen Gefühlen ahnt. Die ersten Schritte auf dem Weg zum beruflichen Erfolg macht Chuck jedoch nicht, weil er sich für die Firma engagiert. Nein nur, weil er ein strategisch günstig liegendes Apartment sein Eigen nennt, das verschiedene höhere Chargen im Konzern für Seitensprünge nutzen. So steigt er zum Assistenten des Vizedirektors Sheldrake auf, der ziemlich bald auch Chucks Apartment für sein amouröses Abenteuer beansprucht – ausgerechnet mit Fran Kubelik. Dies öffnet letztlich Chuck die Augen und lässt ihn sein bisheriges Verhalten überdenken.
Das Bühnenbild ist mehr als gelungen. Wir sehen in eine New Yorker Straßenschlucht zwischen Wolkenkratzern hinein, im Hintergrund die Freiheitsstatue. Juan Miguel Verdugo Garcia als musikalischer Leiter adaptierte Bacharachs Musik an die Möglichkeiten des Landestheaters. Eine sechsköpfige Band spielt live auf der Bühne. Die Schauspieler geben ihr Bestes, um auch gesangsmäßig mithalten zu können. Eine beachtliche Leistung für eine relativ kleine Bühne.
Michael Großschädel spielt engagiert den jungen Mann, der schließlich zum Moralisten mutiert und dafür im Happy End mit der Eroberung der von Sheldrake betrogenen und enttäuschten Fran (schauspielerisch und gesanglich gut: Linda Riebau) belohnt wird. Philipp Alfons Heitmann überzeugt als berechnender, egozentrischer Sheldrake, Rainer Scharenberg als Arzt, der das Treiben im benachbarten Apartment beobachtet hat und im rechten Moment hilfsbereit zur Stelle ist.
Ein locker-leichter Abend, der jedoch besonders vor der Pause schon manchmal arg klischeehaft herüberkommt – so z. B. wenn die drei fremdgehenden Ehemänner davon schwärmen, sich wieder wie „Fünfundzwanzig“ zu fühlen oder am Ende gar beklagen, dass sie jetzt nur noch mit der Ehefrau schlafen können. Ein Abend mit gekonnten choreografischen Einlagen, der sehr gut beim Neusser Publikum ankam. Sicherlich von den zwischenmenschlichen Themen her nach wie vor aktuell. Nur bleibt die Frage, ob sich der enorme Aufwand hierfür lohnt. Man könnte argumentieren, dass ein Theater es sich nicht leisten kann, den Teil des Publikums, der sich hier königlich amüsierte, zu vernachlässigen.