Übrigens …

Rinaldo im Oper Bonn

Aus ritterlicher Zeit

Sängerabsagen in der Oper sind eine Herausforderung, vor allem bei selten gespielten Werken wie Rinaldo. Jens-Daniel Herzog hat das Händel-Werk 2008 bereits in Zürich herausgebracht, von dort entlieh man sich bei der Bonner Übernahme für die Partie der Armida die Sopranistin Malin Hartelius. Mit nur einer Probe hat sie ihre damalige Rollenkreation aufpoliert, für den unbefangenen Zuschauer perfekt, trotz der sehr individuellen Inszenierung. welche mit einer ausgeklügelten Bewegungschoreografie arbeitet. Die Stimme der Schwedin weist inzwischen kleine Schärfen auf, aber das verträgt sich ganz gut mit der Figur der machtgeilen und launenhaften Dame.

Die mächtige Zauberin aus dem viel benutzten Kreuzfahrerepos Gerusalemme liberata des Torquato Tasso ist Heldin sehr vieler Opern, etwa von Haydn, Gluck, Myslivecek, Salieri, Traetta, Rossini und Dvorak. Bei Händel wird sie zwar nicht zur Nebenpartie, aber eine besondere Beleuchtung liegt auf dem titelgebenden Rinaldo, der sich zwischen Ritterpflicht und Liebe zur schönen Almirena zerreißt. Doch schließlich verguckt sich auch noch Armida in ihn, obwohl sie doch seine politische Feindin ist und auf der Seite des Sarazenenkönigs Argante steht. Verwirrte Herzen und aufgepeitschte Emotionen spielen auch sonst eine Rolle, so dass in der Handlung für ein großes Auf und Ab gesorgt ist. Clou der Schlussszene im Libretto von Giacomo Rossi ist, dass Armida und Argante zum christlichen Glauben übertreten, um ihre Versöhnungsbereitschaft zu demonstrieren

Das und anderes läßt sich so simpel natürlich nicht mehr erzählen, zumal eine glaubwürdige Psychologie der Personen durch den Einsatz von Zauberspuk oft außer Kraft gesetzt wird. Jens-Daniel Herzog greift (bzw. griff schon in Zürich) zum probaten Mittel der Ironisierung. Ausstatter Christian Schmidt stellt also kein mittelalterliches Jerusalem auf die Bonner Bühne, sondern einen modern nüchternen, per Drehbühne veränderbaren Gebäudekomplex mit Konferenzraum, Flughafen u.a. Es findet kein Krieg zwischen Christen und Ungläubigen statt, sondern ein Kampf im kühlen Geschäftsmilieu von heute.

Die burleske Akzentuierung der Inszenierung findet einen Höhepunkt am Ende des 1. Aktes, wenn Rinaldo in seiner Arie von Wirbelwinden singt und diese von einem Tanzensemble (Choreografie: Ramses Sigl) mit grotesken Zeitlupenbewegungen illustriert werden. Auch der Versöhnungskampf Armida/Argante nach heftigen Eifersüchteleien unterläuft das originale „lieto fine“ mit handfestem Witz, den man - falls ungnädig gestimmt - auch als Klamauk bezeichnen könnte. Aber solche Zuspitzungen sind nicht nur goutierbar, sondern wirklich gut erfunden. Den Bonner macht diese Aufführung ersichtlich Spaß.

Mit Wolfgang Katschner, der einem vor allem als Leiter der Lautten Compagney vertraut Ist, hat man einen fabelhaften und animierenden Dirigenten am Pult des weitgehend stilsicher spielenden Beethoven Orchesters. Er holt aus der (trotz ihres leichten Pasticcio-Charakters) einfallsreich und vielschichtig gearbeiteten Partitur alle nur denkbaren Wirkungen heraus. Die 28jährige Koreanerin Sumi Hwang, eine überaus sonnige Erscheinung, darf als Almirena das betörende Lascia ch’io piange schönstimmig zum Besten geben, Der um ein Jahr ältere Österreicher Jakob Huppmann gehört nach dem Eindruck seines Eustazio hingegen (noch) nicht zur ersten Riege der Countertenöre. Da von ihm weitere Auftritte in Bonn geplant sind, lässt sich dieses Urteil vielleicht revidieren. Als eifriger Darsteller macht er aus dem Eustazio allerdings eine interessante Figur. Dieser ist übrigens der Bruder des christlichen Generalkapitäns Goffredo, laut Partitur mit einem Sopran zu besetzen. Kathrin Leidigs Stimme verfügt über leicht maskuline Farben, so dass sich ein Befremden über diese Besetzung in Grenzen hält. Aus dem Ensemble kommen hinzu: Georgos Kanaris als baritonal wetterfester und äußerst spielfreudiger Argante sowie Susanne Blattert. Sie ist keine Jünglingserscheinung mehr, imaginiert die Jugend Rinaldos aber mit ihrem immer noch sehr frischen und koloraturgeläufigen Mezzo. Kleinere Partien sind vorteilhaft mit Charlotte Quadt, Nina Unden, Vardeni Davidian, Brigitte Jung und Josef Michael Link besetzt.