Der Traum (von) einer Operndiva
Lauretta träumt von der ganz großen Karriere als Operndiva – und das lieber heute als morgen. Nur hat sie die Rechnung ohne ihren Musikmeister Lamberto gemacht. Der nämlich hält ihren Sopran noch lange nicht für reif genug sondern predigt nur dies eine: „Üben, üben, üben!“ Daraus entspinnt sich eine nette Geschichte, die in der intimen Atmosphäre des U 2 im Theater Münster genau am richtigen Platz erzählt wurde. U 2 – das ist die noch recht junge Spielstätte im 2. Kellergeschoss des Theaters, eine Mini-Bühne, die Regisseur Andreas Beuermann bis hinein in den letzten Winkel bespielen ließ. Und Spiel war viel in diesen sechzig Minuten Kammeroper, die wie im Nu vorüberzogen.
Beuermann verlegt die Barockoper von Pietro Auletta und Giovanni Battista Pergolesi ins Jahr 1928, als es Münsters Lortzing-Theater noch gab (Ruinen-Reste sind heute noch am bestehenden Theaterbau von 1956 sichtbar). Ein aktuelles Plakat kündigt hier unter anderem Puccinis „Gianni Schicchi“ an. Und womöglich träumt Lauretta (Eva Bauchmüller mit lupenreinem, klarem und beweglichem Sopran) just von dieser Oper, in der ihre Namensvetterin eine große Rolle spielt. Aber was tun gegen den Widerstand Lambertos (Christian-Kai Sander mit unerschöpflicher Spiellaune und viel Witz)? Da schneit gerade zur rechten Zeit Lambertos alter Bekannter zur Tür herein: Tracolino, ein Filmproduzent (Juan Fernando Gutiérrez als charmanter Herr, im deutschen Idiom noch nicht ganz angekommen), der sich stante pede in Lauretta verliebt und aus ihr nicht ganz uneigennützig einen Kinostar machen will. Schließlich ist gerade der Operntonfilm en vogue. Da braucht es Personal. Wobei Tracolino vermutlich an ganz andere Sachen denkt als daran, mit Lauretta wirklich einen Film zu drehen. Aber flugs ist ein Vertrag aufgesetzt und unterschrieben. Wie praktisch, dass Laurettas Freund und Geigenschüler von Meister Lamberto im „Hauptberuf“ Jura-Student ist und Bedingungen aushandeln kann (Nigel Karte spielt diese fast stumme Rolle herrlich unschuldig und naiv).
Am Ende kommt es, wie es kommen muss: es gibt Krach. Der Musikmeister ist erzürnt, Lauretta ahnt Tracolinos wahre Absicht... Und trotzdem fehlt es nicht an einem Happy End. Laura darf zum Film, Lamberto trainiert ab sofort die Singstimmen aller Schauspieler und unser Jura-Student übernimmt Tracolinos Rechtsabteilung. Alles in Butter!
Eine Handvoll Requisiten reichen aus, um Situationen an- und auszudeuten, ein paar Aktualisierungen wie der Verweis auf „Die verkaufte Braut“ als kommendes Filmprojekt (das Original läuft derzeit auf der Bühne im Großen Haus) schaffen lokalen Bezug – und ein Cembalo, trefflich bedient von Daniel Klein, ersetzt ein ganzes Orchester.
Klitzekleine Ungenauigkeit der Regie: Musikmeister Lamberto hütet Schellackplatten von Erna Sack fast wie rohe Eier. Und irgendwann ertönt auch aus dem Off das von ihr gesungene „O mio babbino caro“ aus „Gianni Schicchi“. Doch zu diesem Zeitpunkt - Anno 1928 - war Erna Sack gerade mal Elevin an der Berliner Staatsoper und sicher noch nicht auf einem Tonträger verfügbar. Egal... Das Premierenpublikum in Münsters Theater hatte Spaß ohne Ende, das Quintett auf der Bühne ganz sicher auch!