Übrigens …

Le Grand Macabre im Essen, Aalto-Theater

Wer fürchtet sich vor'm Sensenmann

Dieser Piet vom Fass ist ein ziemlich einsamer Typ. Seinen Lebensinhalt bestimmen Tastatur und Bildschirm – und natürlich ein Kühlschrank voller eiskalter Bierdosen. Ein Nerd wie er im Buche steht, der sich sein eigenes Computerspiel kreiert. Das kommt ganz mittelalterlich daher mit Burgfräulein, Astronom und dem Sensenmann, der mit dem Weltuntergang droht. Natürlich verewigt sich der Erfinder auch selbst im erfundenen Breughelland.

Doch das Spiel verselbstständigt sich sehr schnell. Nicht nur, dass die mittelalterliche Dame gar nicht sittsam und züchtig ist, sondern sich als sexbesessene Domina erweist, die den Gatten anal mit einer Streitaxt traktiert. Nein, es mischt sich auch noch Oper ein: Wir sehen Oktavian, der Sophie sittsam die Rose überreicht – ganz barock silbern gekleidet. Doch schnell wird klar, dass es auch hier mit der Sittsamkeit nicht weit her ist. Behende wird der geräumige Hosenlatz aufgeknöpft und ein Zeichen sichtbarer Lust herausgeholt. Doch, oh je, man wird beobachtet, sucht einen Ort, um allein zu sein. Und da bietet sich das Grab – in diesem Fall der Orchestergraben – an. Aus dem ist gerade erst der Weltvernichter und Sensenmann Nekrotzar als Dirigent herausgekrochen, um das Ende der Menschheit einzuläuten.

Und hier verzahnt Mariame Clément die Handlung von Ligetis Le Grand Macabre wieder zwischen Oper und Computeranimation. Doch viel Klammer und Stringenz ist ja gar nicht nötig bei Ligetis absurdem Spiel um einen Weltuntergang, der keiner ist. Denn das Stück besteht ja aus vielen herrlichen, anarchischen Einzelsequenzen, die Clément und ihre Ausstatterin Julia Hansen mit vielen wunderbaren Details in Szene setzen und das ganze perfekt und gekonnt aus dem Ruder laufen lassen. Das ist herrlich und absurd, spielerisch und überspitzt.

Im zweiten Teil kommt Breughelland dann doch wieder überraschend realistisch. Da begegnen uns sattsam bekannte Typen am Hof des verfressenen, geltungssüchtigen Fürsten Go-Go: machtbesessene Minister (in einem Washingtoner Oval Office!), die selbst den drohenden Weltuntergang zur eigennützigen Entfaltung nutzen wollen - und ein Geheimdienstchef, der direkt mit dem World-Wide-Web verdrahtet ist. Das kennt man und deshalb kommen Cléments Pointen auch eher weniger überraschend und spritzig daher. Aber wenn am Ende rein gar nichts passiert, der selbsternannte Schreckensfürst den Höhepunkt seines Szenarios im Suff verschläft und der steuernde PC explodiert, sehen wir uns doch wieder an den Beginn zurück versetzt: Das Liebespaar im silbernen Outfit entsteigt befriedigt dem Grab und die Oper kann von vorn beginnen,

Dima Slobodeniouk und die Essener Philharmoniker arbeiten alle Feinheiten der Partitur Ligetis heraus, Schroffheiten, Brüche genauso wie Zitate und Anlehnungen. Die musikalische Vielfalt hilft allerdings im etwas zäheren zweiten Teil nicht immer über Längen hinweg.

Eine wirkliche tolle Leistung bietet das singende Ensemble. Alexanders Eberles Chöre sind eine herrlich dumpf-beeinflussbare Masse.Alle solistischen Partien sind sehr gut besetzt und gerade bei Le Grand Macabre macht das Zusammenspiel die Wirkung. Deshalb seien nur Heiko Trinsinger als verschlagener Nekrotzar, Rainer Maria Röhr als betrunkener Piet vom Fass und Susanne Elmark als virtuose Venus hervorgehoben.

Ein Abend der auch beim Publikum viel Zuspruch findet-