Übrigens …

Wär nur die Sehnsucht nicht so groß im Mönchengladbach, Theater

Ein Kleinod

Die Gemeinschaftsbühnen Krefeld/Mönchengladbach reagieren auf die von der Komischen Oper Berlin ausgehende Renaissance der Operette mit einem überaus charmanten Kammer-Pasticcio. Carsten Süss, selbst erfolgreicher Tenor, auch in Operetten, hat eine kleine Handlung entworfen, eigentlich eher: eine Situation. Wir befinden uns in den 60er Jahren in New York, im Milieu jüdischer Immigranten. Im Mittelpunkt der Handlung stehen Deborah Seligmann aus Österreich, die mit ihrem Mann bis zu dessen Tod ein Schallplattengeschäft betrieben hat und ihr Sohn Arthur. Der kommt einfach nicht los von den ganzen Operetten, in deren akustischer Mitte er aufgewachsen ist und schlüpft von einem selbstgenähten Fummel in den nächsten, auf der Suche nach irgendeinem Kick. Aber es gibt die schöne Rachel in der Nachbarschaft. Die bringt ihn zu sich – und zu ihr. Und zwischendurch wird gesungen, Operettenlieder und Ensembles von Oscar Straus und Leo Fall, von Jean Gilbert und Paul Abraham, von Kalman und Benatzky.

Michael Preiser hat die Musik umarrangiert für kleines Streicherensemble, Klarinette und Klavier, erfindet so eine Art Kaffeehaus-Swing und Rita Cervinscaia hat eine Art drehbare Ohnsorg-Theater-Zimmerbühne im American Vintage Style gebaut und sich bei den Kostümen (und Perücken!) keinerlei Zurückhaltung auferlegt. Und alle haben Spaß – Musiker, Sänger, vor allem aber die Zuschauer.

Drei erfahrene Ensemblemitglieder treffen auf drei Mitglieder des Opernstudios. Janet Bartolova, langjähriger Star des Hauses, besonders erfolgreich in Puccini-Rollen, führt als sich ständig umziehende Nachbarin eine richtig schräge Nummer vor, füllt das gute alte Boulevardklischee von der gut erhaltenen, koketten reifen Dame, die junges Fleisch braucht, um sich lebendig zu fühlen, hübsch absurd mit Leben. Ihr „Protegé“ ist James Park mit ganz frischem Tenor. Er verkuckt sich in Amber, die bei Manon Blanc-Delsalle ein schon sehr erfahrenes Mädchen ist, was ihr ebenmäßig geführter dunkler Mezzo angenehm unterstützt. Sie ist die Cousine von Arthur, dem Matthias Wippich seinen flexiblen Bass und sein bekanntes überbordendes Spieltalent leiht. Und der hat es eben mit Rachel, der Amelie Müller ihren lyrisch aufblühenden Sopran leiht. Sie alle spielen locker, manchmal sogar hemmungslos, gehen wunderbar mit den Operettenmelodien um, singen organisch, leicht, auch mal frech verzerrend, nie opernhaft aufgesetzt. Da gewinnen „Katja, die Tänzerin“, der „Walzertraum“ oder „das Veilchen vom Montmatre“ überhaupt nicht altes, saftiges Leben. Im Mittelpunkt des Abends steht Debra Hays als Deborah Seligmann. Wenn sie von Heimweh geschüttelt mit bleistiftfeinem, in Würde alterndem Soubrettenton Leo Falls „Du, mein Schönbrunn“ anstimmt und es im letzten Refrain vor der Zeit verlöschen lässt, ist es mucksmäuschenstill im Sälchen der Studiobühne. Und wenn sie hinter der Bühne stirbt, braucht es schon ein lautes, jazziges Liebesduett mit aus den übrigen Solisten gebildetem Background-Chor um das Publikum wieder in die freudige Stimmung zu versetzen, die es die ganze Zeit haben durfte.