Übrigens …

Salome im Wuppertal, Theater

Bunter Abend

Was macht eigentlich die Oper Wuppertal? Nachdem man dort mit der Entlassung des festen Ensembles und der Inthronisierung von Toshiyuki Kamioka einen Schlussstrich gezogen hatte, war ich nicht mehr da. Mir fehlt die Lust am Experiment, das spannende Umgehen mit nichtrepresäntativen Kleinformen, das dieses Theater vorher so ausgezeichnet hat. Statt dessen Tosca, Hänsel und Gretel, Don Giovanni, Parsifal. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, dem Vernehmen nach größtenteils ganz gut. Also, habe ich mir gedacht, schaue ich mir da mal wieder was an.

Und bin erschrocken. Das Bühnenbild sieht attraktiv aus. Zwei übereinander angeordnete blaue Halbröhren mit je einem Loch, oben für den Mond, unten für die Zisterne. Rechts und links putzige Treppenkonstruktionen. Dann die Kostüme: ein Stilmix. Salome modisch-cool in Weiß, Herodias grell in Gelb, Herodes als Märchenkönig mit Mongolenzopf, Jochanaan als der übliche Zottelbär, dazu gesichtsgeschminkte Klischee-Afrikaner, 30erJahre-Beaus mit Sonnenbrillen und Goldgamaschen und Soldaten, die oben aussehen wie Pappmaché-Römer, unten eine Tarnhose anhaben und mit Speeren herumfuchteln, die wie riesige Holzschnitzmesser aussehen. Und alle werden permanent in dekorative Posen und Grüppchen angeordnet. Dazu gibt es wenige Weihnachtsmärchen - Effekte wie eine sich plötzlich aus dem Loch ringelnde Gummi-Schlange. Und es wird gekommen, abgegangen, gesungen.

Der Regisseur Michiel Dijkema hat sich, vor allem durch die Etablierung ungewöhnlicher und phantasievoller Bildwelten, anderswo einen Namen gemacht. Zu Salome ist ihm so viel nicht eingefallen. Seine im Programmheft aufgestellten Behauptungen bleiben solche, weder sehen wir einen gesteigerten Antagonismus zwischen den schon angesprochenen Löchern noch eine homosexuelle Love-Story zwischen dem Pagen und dem bisexuell – der Sänger scheint davon wenig zu wissen – gedachten Narraboth. Einzig im eine Art Massenhysterie auslösenden Schleiertanz zeigt sich ein energischer Regie-Zugriff.

Und die Musik? Salome ist ein Ensemblestück. Für ein Haus ohne solches werden allein die 12 kleinen Rollen zum großen Problem. Denn sie alle verlangen wirklich gute Sänger. Und teilweise, wie im - hier problematisch konventionell kostümierten – Judenquintett, hat der Komponist wohl auch darauf gesetzt, dass die Sänger vertraut waren untereinander. In Wuppertal sind die meisten Sänger vor allem mit sich selbst und der deutschen Sprache befasst. Einige reüssieren durch schöne Timbres, etwa der Narraboth von Emilio Pons, andere durch Kraft und Präsenz wie die Herodias von Dubravka Musovic. Manche haben weder das eine oder das andere. Beide, stimmlich durchaus imposanten männlichen Hauptdarsteller scheitern an der Interpretation ihrer Partien, erschaffen keine differenzierten Figuren. Töne werden von unten angeschliffen, Vokale verfärbt, so ganze Passagen entstellt. Dafür sind beide fast durchgängig sehr laut. Und das Publikum mag beide sehr.

Zwei wirklich gute Sänger hat diese Aufführung. Falko Hönisch, den klangvollen und –schönen 1. Soldaten möchte man sehr gerne in Hauptrollen hören und die junge Italienerin Christina Baggio in der Titelrolle ist eine Entdeckung. Gesangstechnisch noch etwas unfertig – die Tiefe klingt etwas schroff, die Mittellage wird nicht durchgängig gestützt – öffnet sich die Stimme in der Höhe wunderbar. Baggio hat viel Bühnenpräsenz, noch mehr Lust an Spiel und Bewegung, kommt gut mit dem Text zurecht und gestaltet sehr musikalisch.

Und das Orchester? Eigentlich hätte GMD Kamioka dirigieren wollen und sollen. Aber er geht ja nun schon wieder. Nachdem er das Wuppertaler Opernhaus geistig zur postmodernen Ruine umgestaltet hat, hat er zum Ende der nächsten Spielzeit gekündigt. Und Salome ist ausersehen, seinen Nachfolger zu küren. Ari Rasilainen hat solide einstudiert, dirigiert anfänglich mit frischer Energie, kriegt aber, vor allem in der zweiten Hälfte die Sänger nicht recht in die Spur und lässt dann auch den Klang ausfasern. Rasilainen hat bereits nach der Premiere seine Arbeit getan. In den nächsten Wochen treten sechs Herren ans Pult und geben ihre Visitenkarte ab. Bei dieser Produktion wird es nicht leicht sein, gut auszusehen!