"Liebesperlen" auf der Halde
Erst Jedermann, dann Aida und anderes - und nun die Liebesperlen, eine Produktion des Westfälischen Landestheaters, das dieses Erfolgsrezept alle paar Jahre erneuert. Jetzt kam wieder eine Premiere der neuen Ausgabe dieses Publikumshits heraus. Man nehme: Songs aus den 50er, 60er und 70er Jahren, baue um sie herum eine schmallippige Handlung um einen Aussteiger aus dem „Kohlenpott“ (als dieser diesen Namen wirklich noch verdiente), der zum Europa-Reisenden wird, engagiere sechs fabelhaft singende und swingende Darsteller/innen mit Musicalprofil, arrangiere die Pop-Vorlagen mundgerecht (Tankred Schleinschock) und begleite das Ensemble mit einer flexibel reagierenden Band. Fertig ist ein Unterhaltungs-Bestseller für laue Sommernächte „ganz oben“ – auf dem Dach des Reviers. Denn Bottrop besitzt mit der Halde von Prosper-Haniel, an der Stadtgrenze zu Oberhausen gelegen, eine atmosphärisch dichte Bühnenkulisse für diesen Liebesperlen-Snack. (Für 2016 ist hier eine Vorstellungsserie mit Wagners Fliegendem Holländer geplant!)
Das sind unter anderem Schlager wie „Ich will ´nen Cowboy als Mann“ oder „Volare“, die Sonne von Capri und „Diana“, Celentano-Volltreffer und Caterina-Valente-Lieder, die Beach Boys und Doris Day, Heino, Elvis und Peter Kraus usw. – die Mischung macht’s. Heinrich Huber und Jürgen Uter haben die Liebesperlen einst in Dortmund „erfunden“, nun wandert das launige Spektakel in die Höhe. Schweigend nehmen die farbigen Ibarrolla-Stelen auf dem Grat des aufgeschütteten Bergematerials die Revue zur Kenntnis. Ganz im Gegenteil zur vollbesetzten open-air-Arena. Denn auf den insgesamt acht Ringen rund um die Bühne wird mitgesungen und gerockt, gelacht und getrunken, geklatscht und in Erinnerungen geschwelgt. Ja, so war das damals… Und die Songs aus jener Restaurationsepoche nach dem Krieg sind vielen Älteren noch bestens geläufig. Der Chor der Senioren (in den sich aber auch etliche junge Stimmen mischen) hat noch genügend Kraft, um jene Jahre musikalisch für gut zwei Stunden auferstehen zu lassen. Was bei Hubers und Uters perfekter Nostalgie-Show fehlt: ein ironisch gebrochener Handlungsstrang über die Aufbauzeit und die ersten „neuen“ Polit-Diskussionen. Dann würden noch ein wenig mehr Klima- und Erinnerungsbruchstücke mitklingen. So bleibt es meist nur bei braven und harmlosen Musikzitaten.
Die aber werden gekonnt und peppig, gewitzt, flott und flüssig von den WLT-Mitgliedern als Ohrwürmer serviert: Stefanie Kirsten, Dominik Freiberger, Daniel Printz, Thomas Zimmer, Samira Hempel und Tina Podstawa (die zugleich die rasante Choreographie verantwortete) sind unschlagbar im authentischen Ton jener Jahreszeiten, die von Huber/Uter auf die Straßen und Plätze der Cranger Kirmes verlegt werden.
1989 lief die erste Liebesperlen-Parade, die sofort zum Bestseller wurde. 2015 wird es nicht die letzte Show zu diesem Revierthema gewesen sein. Die Idee und das Konzept sowie die Qualität des Ensembles sind zu gut, um in der Versenkung eines Theaterfundus zu vertrocknen.