Wenn Leichtigkeit zur Kunst gerät
Jubel in Düsseldorf nach zweieinhalb mitreißend zelebrierten Theaterstunden. Phantasie, grandios dahin fließende Leichtigkeit, faszinierende Bild- und Gesangs-Sequenzen sind gepaart mit ungebändigter Spielfreude und einem Beweis: Auch deutsche Schauspieler können singen. Sogar sehr gut. Ob solistisch und chorisch, oder gar mimisch in Cello-Saiten, zur Geige oder Flöte greifend - es ist das reine Vergnügen. Was – die Namen müssen raus! – Benjamin Hoffmann und Moritz von Treuenfels, Andreas Helgi Schmid und Dominik Raneburger, Heilsam Abbas und Danny Exnar als „Harmonisten“, zudem Lutz Wessel in den verrücktesten Nebenrollen, vom schwulen Barbesitzer bis zum Nazi-Proleten, auf die Bühne des Großen Hauses im Düsseldorfer Schauspielhaus zaubern, ist aller Ehren wert.
Mathias Schönsees Inszenierung hat dem Spiel des Septetts zudem so viel Witz, Humor und feine Ironie beigemischt, dass alle Kritik, die dem Abend möglicherweise zu viel Lockerheit attestieren könnte, an seiner spielerischen Leichtigkeit leicht abprallen würde. Dabei gestatten die „Glorreichen Sieben“, fast wie nebenher, auch tiefe, doch nie tiefsinnig-verkitschte Einblicke in die Zeit zu. Immerhin spielt das „Stück“, leben die Vorbilder der Mimen aus dem Jahr 2015, zwischen 1927 und der Nazi-Diktatur. Gipfel der kulturellen Perversion der Zeit: Den „Comedian Harmonists“ wurde 1937 Auftrittsverbot erteilt, das Betreten einer deutschen Bühne verboten: Drei der sechs waren Juden. Dabei fühlte sich einer von ihnen, Erich Abraham Collin, bis dahin als bekennender Deutscher und Berliner. Doch „die Nazis haben aus mir einen Juden gemacht.“ Eine bittere Erfahrung.
Freunde waren sie, Freunde blieben sie, auch wenn die Freundschaft Risse bekam. Das „deutsche“ Trio ging seinerzeit zurück nach Berlin. Nicht weil sie Nazis waren. Sie liebten ihre Stadt und glaubten, ohne ihre Sprache nicht leben zu können. Und ohne Sprache sahen sie sich im Abseits.
Gleichwohl ist es die bewegendste Szene des Abends an der Düssel, wenn das Sextett auseinander geht. Mathias Schönes Regie fand dafür ein anrührendes, ein melancholisches Bild. Die „Deutschen“ versuchten noch ein letztes Mal, die Freundschaft und Einheit zu beschwören. Mit einem Lied, das alles sagt: „In einem kühlen Grunde“ intonierten sie gemeinsam. Die drei Juden bereits in Reisemantel und Koffer zur Abreise und Trennung bereit. Während sie singen, die „gebrochene Treue“ und das „entzwei gebrochene Ringlein“ schönste Töne werden lassen, verlässt einer nach dem anderen der drei Verfemten die Bühne.
Aus Gottfried Greiffenhagens – er starb 2013 mit 80 Jahren – das Stück zum „Fließen“ bringenden Texten und Franz Wittenbrinks „musikalischer Einrichtung“ des „Schauspiels mit Musik“ so leichtfüßig und doch ernsthaft auf die Bühne zu bringen – Chapeau! Düsseldorfs Publikum jubelte. Zu Recht.