Weser-Gold
Das „Mindener Modell“ geht in die nächste Runde! Nach dem berührenden Tristan schmiedet man unter Federführung des dortigen Wagner-Verbandes jetzt den Ring. Und wie bei den vorherigen Inszenierungen auch scheint ganz Minden im Wagner-Fieber zu sein. Allein die lange Liste von Einzelsponsoren im aufwändig gestalteten Programmheft zeugt von großer Anteilnahme an dem Projekt. Es gibt viele Begleitveranstaltungen, Schulklassen sind involviert....Wagner also nicht nur für Enthusiasten!
Durch einen großen roten Ring fällt der Blick auf einen schön durchsichtigen Gaze-Vorhang, hinter dem die Nordwestdeutsche Philharmonie Herford Platz genommen hat. Platz genommen ist in diesem Fall wörtlich zu nehmen, denn der riesige Orchesterapparat lässt dem Regie-Team von der ohnehin kleinen Mindener Bühne nur noch eine ganz winzige Spielfläche. Umbauten verbieten sich da von selbst. Und so haben wir den Rhein, Nibelheim und Walhall quasi in einem Wohnzimmer. Frank Philipp Schlößmann baut links eine Wendeltreppe, die in eine Loge führt und einen in zwei Teile zerbrochenen Ring rechts auf die Bühne. Schöne Lichtprojektionen künden vom jeweiligen Ort des Geschehens– das war’s. Und dennoch: auch mit so wenigen Mitteln gelingt es Regisseur Gerd Heinz Das Rheingold prima zu erzählen. Und das unter fast völligem Verzicht auf Requisiten. Mindener Schüler lassen Alberich hinter einer schwarzen Plane verschwinden, wenn er unsichtbar wird, tragen einen chinesischen Drachen über die Bühne, in den sich der Nibelung verwandelt. Das ist einfach, tut aber seine Wirkung. Etwas banal hingegen der Hort, dargestellt durch gelbe Buchstaben (G-O-L-D).
Wenn es hier und da auch manchmal etwas statuarisch zugeht – über den ganzen Verlauf gesehen arbeitet Heinz in der Personenregie mit fein herausgearbeiteten Interaktionen. Und das ist dann auch der Vorteil von „großem“ Wagner auf kleiner Bühne. Wo kann man den Akteuren schon so genau ins Gesicht schauen – Mimik und Gestik bis ins Kleinste wahrnehmen? Oder einem Wagner-Orchester und seinem Leiter bei der Arbeit?
Denn für’s Mindener Rheingold gilt ganz klar: prima la musica! Die Herforder unter Frank Beermann leisten tolle Arbeit: da glitzert das Gold fein auf dem Boden des Flusses, wird Nibelheims bedrohliche Enge fast greifbar. Und alles ganz fein abgestimmt auf den Mindener Theaterraum.
Die Sänger agieren in erdfarbenen Kostümen und scheinen sich richtig wohl zu fühlen. Julia Borchert, Christine Buffle und Tiinia Penttinen als Rheintöchter necken Alberich mit voller Hingabe – ihre Stimmen mischen sich wunderbar. Andreas Kindschuh und André Riemer (Donner und Froh) sind forsche junge Götter, während Julia Bauer eine sehr mädchenhafte Freia gibt. Herrlich zu beobachten, wie sie dem feschen Riesen Fasolt heimlich verliebte Blicke zuwirft. Den singt Tijl Faveyts mit absolut frischer, nobler Stimme, während James Moellenhoff mit rabenschwarzem Bass den Fafner zu einem absoluten Fiesling macht. Kathrin Görings Fricka ist eher besorgte Ehefrau denn aufbegehrende, stolze Göttin. Zurückhaltend ist Renatus Mészárs Wotan. Ihn plagt eine stimmliche Indisposition. Evelyn Krahe ist Erda – mit ihrem vollen, tiefen Alt die perfekte Mahnerin. Eine ideale Besetzung ist auch Dan Karlström als Mime. Sein heller Tenor gellt bei den Klagerufen unnachahmlich durch das Theater.
Den Alberich stattet Heiko Trinsingers wandlungsfähiger Bariton mit einer nuancierten Gefühlswelt aus und macht erfahrbar, wie aus dem verletzlichen, sich nach Liebe sehnendem Außenseiter ein lebensverachtender Hassender wird. Genauso vielschichtig sein Antipode: Thomas Mohr verdeutlicht die Gedankenwindungen Loges – das Hin- und Her, das Suchen nach Auswegen - mit seinem flexiblen Tenor auf das Anschaulichste.
Das Publikum nimmt den Abend mit Begeisterung auf – ein verheißungsvoller Auftakt für den Ring des Nibelungen – auch wenn Regisseur Gerd Heinz noch nichts von seinen interpretatorischen Grundgedanken für den gesamten Zyklus verrät. Das macht aber nichts, denn so bleibt es spannend und alle sind 2016 zur Walküre wieder da.