Musikalisch aufgeraut
GMD-Suche, die zweite. Wie die szenisch missglückte Salome im Frühjahr ist Madama Butterfly in erster Linie ein Schaulaufen der Kandidaten für den musikalischen Chefsessel der finanziell ungeheuer klammen Stadt Wuppertal. Die musikalische Einstudierung und die Premiere hat Ulrich Windfuhr übernommen, der ehemalige GMD der Stadt Kiel. Und er gibt eine hervorragende Visitenkarte ab. Windfuhr durchdringt die Partitur, findet den großen Bogen, lässt aber auch in Puccinis Werkzeugkiste schauen, zeigt etwa, wie die folkloristischen Elemente dieser Musik ausschließlich zur Wirkungsverstärkung eingesetzt wird, raut andererseits die Oberfläche auf und lässt die oft ungehörte Modernität von Puccinis als süßlich verschriener Oper Klang werden. Das Wuppertaler Orchester zeigt sich in Spiellaune, die vielen Soli klingen brillant. Was fehlt, ist einzig Energie - das „Aufmachen“ auf den emotionalen, der Kraftschub bei den dramatischen Höhepunkten.
Hier trifft sich die musikalische Umsetzung mit der Inszenierung von Dominik Neuner. Er versteht sich auf die hohe - und durchaus selten gewordene - Kunst der Personenführung und erzählt die Geschichte klar im eigenen, semi-abstrakten, nicht unattraktiven Bühnenbild. Eine weiße Schräge dominiert den Raum. Hineingepresst ist Butterflys kärgliche Behausung, eine Art Kunsthöhle, aus der sehr dekorativ ein toter Baum wächst. Keine Kirschblüten heute!
Diese Bühne funktioniert trefflich als Vergrößerungsglas für die Auseinandersetzungen der Hauptfiguren, gestattet Ironie, die Neuner zwei-, dreimal, wenn auch etwas zaghaft, zulässt. Was dieser Raum nicht gestattet, ist Detailrealismus. Teetassen und Blumen, mehr noch die für sich genommen schönen, im Traditionellen wurzelnden Kostüme von Ute Frühling, gefährden das subtile Vorgehen erheblich. Dekoration stört dann die Konzentration - und es bleibt nur kundiges Bewegungsarrangement. Stark ist Neuners Inszenierung da, wo sie die Sänger einfach Musik und Raum aussetzt, am stärksten in der Konfrontation Butterfly-Sharpless im zweiten Akt, vor allem natürlich, weil hier herausragende Sänger auf der Bühne stehen. Kraftvoll aber nie dröhnend setzt Heikki Kilpeläinen seinen herrlich timbrierten, elegant fließenden und sicher kontrollierten Bariton ein und spielt zurückhaltend, aber definiert und sehr präzise. Noch mehr beeindruckt die Butterfly von Hye-Won Nam. Sie klingt frisch und mädchenhaft, hat aber sowohl die Kraftreserven als auch die Gefühlstiefe für die ausufernden tragischen Momente ihrer Partie. Vor allem aber beeindruckt ihre natürliche, aber nie private Körpersprache, die das Publikum fast zwangsläufig ganz nahe an dieses unglückliche Mädchen heranholt. Nicht ganz so strahlend, aber sicher und mit fokussierten Spitzentönen gibt Timothy Richards den szenisch etwas blassen Pinkerton. In Nebenrollen beeindrucken der clowneske Goro von James Wood und der jugendlich-vollstimmige Bonze von Marc Kugel.