Übrigens …

format BLACKBOX im Köln, Freies Werkstatt-Theater

Bald oder nie?

Die sich immer rasanter verändernde Informationsgesellschaft wird von vielen Menschen als Bedrohung wahrgenommen. Die eminent treffsicher mit diesem Thema umgehende neue Produktion von theater-51grad erntete folgerichtig nach dem letzten Ton ratloses, betroffenes Schweigen im Publikum. Dann tröpfelte der sich steigernde Applaus.

format BLACKBOX ist tatsächlich in erster Linie Publikumsbeunruhigung. Alle theatralischen Komponenten scheine zu sagen: „Es gibt keine Sicherheit mehr. Du bist einem System unterworfen, das nicht mehr von Menschen administriert und repräsentiert wird. Du musst um deine Freiheit und Selbstbestimmung kämpfen, aber nicht mit Waffen, sondern mit Intelligenz und Sozialkompetenz.“ Da ist die den kurzen Abend grundierende und rhythmisierende Musik von Sergej Maingardt. Offenkundig beeinflusst von Noise Music, die Geräusche, Kräche und Klangmuster ohne dokumentarische oder sonstige konkrete Bezüge originär erzeugt und komponiert, hat Maingardt mit sechs live spielenden Instrumenten eine durchaus brutale Soundtrack-Partitur geschaffen. Flöte und Saxophon, Viola und Kontrabass, Percussion und Keyboard werden elektronisch verfremdet, überformt, so dass nur die Erzeugung des Tones noch an das Instrument erinnert, das Saxophon etwa voller, aber auch schriller klingt als die Flöte.

Der Keller des Freien Werkstatt Theaters ist zweigeteilt und auf eine Mitte ausgerichtet. Die Art der Bestuhlung lässt an ein Flugzeug denken. Beim Einlass pickt sich die, genauso wie ihr genauso hervorragender Kollege Daniel Berger futuristisch gewandete, Schauspielerin Isis Krüger einzelne Zuschauer heraus, für die dann keine ‚freie Platzwahl‘ gilt. Schon dieses zwanglos intensive Intro sagt: „Es geht um euch“. Schnell wird in der Mitte eine Wand geschlossen. Der Zuschauer sitzt in einer Box mit jeweils einem Schauspieler und drei Musikern und ist Maingardts Sounds genauso ausgeliefert wie der digitalen Videographie von Jens Standke, einem vielfarbigen Rauschen mit Zahlen- und Wortketten, Animationen und undeutbaren graphischen Mustern. Darauf setzt Rosi Ulrich, Dramaturgin, Autorin, Herz und Hirn von theater-51grad angerissene, von Angstvisionen und Träumen konterkarierte Geschichten. Ein Mann möchte seine Mutter sehen, vielleicht um seine Beteiligung (oder Nichtbeteiligung) an einer familiären Katastrophe aufzuklären. Eine Frau hat für medizinische Zwecke einen in Menschen implantierbaren Chip entwickelt, der ferngesteuert ausgelesen werden kann und sorgt sich nun um die Geister, die sie rief. Ein „digitaler Analyst“ wird zum Kauf angeboten, eine persönliche Geldvermehrungs-App, die sich in irgendeiner Form der Persönlichkeit ihres Besitzers bedient.

Alles klingt nach Science Fiction, nichts unwahrscheinlich. Ob wir eine Atmosphäre und Inhalte, wie sie hier auf der Bühne verhandelt werden, in fünf Jahren, 50 Jahren oder nie bekommen werden, weiß keiner der Anwesenden zu sagen. In ihrer unaufgeregten und dennoch wütend wirkenden Konsequenz ist format BLACKBOX eine herausragende und wegweisende Musiktheaterarbeit.