Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny im Theater Münster

Fete mit Kreuzigung

Es ist Party-Time in Mahagonny. Jeder darf tun, was er will. Natürlich nur, wenn er bezahlt. Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, dieses ebenso amüsante wie treffsichere Lehrstück über das Wesen des Kapitalismus haben Bertolt Brecht und Kurt Weill bereits 1930 verfasst. Auch wenn vieles sicher ein wenig eindimensional daher kommt: An der Wahrheit der Kernaussagen hat sich nichts verändert. Ausbeutung, Betrug und Korruption sind inhärente Bestandteile unseres Systems.

Ulrich Peters beschränkt sich in seiner Inszenierung eher auf das bunte Treiben in der Stadt, die drei gesuchte Verbrecher gründen, um Goldwäschern ihr Geld aus der Tasche zu ziehen. Da gibt es ein Art Clubuniform für die Goldgräber und rot-schwarze Reizwäsche für die Huren. Es wird gefeiert und gevöllt was das Zeug hält. Mit gesellschaftspolitischen Anspielungen hält Peters sich sehr zurück. Um so überraschender ist das Ende. Goldgräber Jim Mahoney hat gegen das einzige Gesetz verstoßen, dass in Mahagonny gilt: er hat kein Geld mehr! Dafür wird er zum Tode verurteilt. Und er stirbt wie Christus am Kreuz, ruht nach der Abnahme gar in den Armen seiner Hure Jenny – eine veritable Pietà. Ein radikaler Schluss, die richtige Konsequenz aus Brechts und Weills Ansatz. Und auch ein radikaler Schritt für Ulrich Peters in Relation zu seinen sonstigen Regiearbeiten in Münster. Doch leider wird dieser nicht stringent hergeleitet, sondern verpufft im vorausgegangenen Feten-Firlefanz.

Brecht und Weill verlangen von den Akteuren alles. Brecht will messerscharf gesprochene Dialoge, Weill mit Perfektion gesungene Songs. Das Erstere geht mit einem Opernensemble nur bedingt und wird auch schmerzlich vermisst. Die Boshaftigkeiten und Spitzen des Textes auszuloten fällt natürlich schwer, wenn das deutsche Idiom nicht immer perfekt beherrscht wird.

Suzanne McLeod ist eine schrill-herrische Witwe Begbick – sekundiert von ihren Adlati Boris Leisenheimer und Gregor Dalal. Plamen Hidjov, Birger Radde und Youn-Seong Shim bemühen sich redlich um ihre Typen als harte Goldgräber. Henrike Jacob gelingt ein ganz wundervoller „Alabama-Song“. Im zentralen „Denn wie man sich bettet, so liegt man“ jedoch wirkt sie seltsam unsicher. Wolfgang Schwaninger leidet mit Jim Mahoney, verkörpert ihn aber recht hölzern.

Grandios der Chor Inna Batyuks. Weills Musik auf das Feinste erfassend, glänzt er besonders in der Schlussszene. Das wird nur noch übertroffen vom Sinfonieorchester Münster unter Thorsten Schmid-Kapfenburg. Mit unglaublicher Präzision, immer glasklarer Diktion und gebotener Schroffheit brechen sie eine Lanze für den Komponisten Kurt Weill, der immer noch als bloßer Song-Schreiber katalogisiert wird. Leute, Weill ist viel mehr, hört ihn Euch an, will Schmid-Kapfenburg sagen.