Mozarts "Don Giovanni" als Bastardkomödie
Hundert Zuschauerinnen lockt Don Giovanni alias Sebastian Zimmler zur Pause zum Maskenfest auf sein Schloss. Gertenschlanke Mädels, fesch gestylte Ehefrauen und Omis in bunten Sommerhosen strömen auf die Bühne. Der Vorhang fällt. Die Party geht ab - aber wie! Eine Frauen-Band rockt, was das Zeug hält. Das ganze Festspielhaus dröhnt und vibriert. Wenn sich am Ende der Pause Don Ottavio und Leporello sturzbetrunken unter dem Vorhang hervor quälen, quittiert der sonnenbebrillte Türsteher mit regloser Miene den Dienst. Denn jetzt hat sich die maskierte Damen-Hundertschaft längst mit dem Schlossherrn, seinen vernaschten Liebschaften und auch deren Beaux - allesamt in arg lädierten, halb herunter gerissenen Rokokoklamotten - verbrüdert und kreischt, die Arme hoch, im Disco-Fieber als hätte Deutschlands „Schweini“ schon wieder ein Traumtor geschossen.
Der Komtur (Karin Neuhäuser) im schlichten, langen Schwarzen kettenrauchend, rezitiert Poetisches aus dem 19. Jahrhundert vom Tod, der als Freund der Mädels kommt (Franz Schubert hat's vertont).
Auch sonst sind beileibe nicht nur Rockrhythmen oder Mozarts Don Giovanni gerockt zu hören. Da probiert Zerlina alias Cornelia Schirmer die erste Arie der Königin der Nacht. Die "Entführung" wird zitiert, manch dichterisches "Bonmot" zum besten gegeben und André Szymanski (Don Ottavio) reißt das Publikum zu Jubelstürmen hin mit einer Rapversion der virtuosen, so oft gestrichenen Arie des biederen Bräutigams der Donna Anna. Denn schließlich handelt es sich um eine Inszenierung des Hamburger Thalia Theaters.
Dass einige der Schauspieler aber trotzdem mehr als achtbar Mozart-Häppchen intonieren - allen voran Cathérine Seifert als Donna Elvira - löste Szenenapplaus aus bei einem Publikum, das sich selbst vom hinreißenden Strippenzieher der ganzen Chose Leporello alias Mirco Kreibich ziemlich toll zum Mitsingen animieren ließ. Am Ende der Party summten (fast) alle selig "Reich mir die Hand, mein Leben!" Nach dieser Party vermisste niemand Don Giovannis letztes Mahl, bei dem der Komtur ihn mit eisernem Griff in die Hölle spediert. Das Verblüffendste an dieser frechen als "Bastardkomödie" verkleideten Opernparodie: selbst als Rockoper funktioniert Mozarts Oper aller Opern!