Übrigens …

Alceste im Bochum, Jahrhunderthalle

Müdes Arrangement

Dieser Beginn ist eine Enttäuschung. Johan Simons ist anlässlich der feierlichen Eröffnung der diesjährigen Ruhrtriennale zu Glucks Alceste nichts, aber auch gar nichts eingefallen. Es sollte wohl ursprünglich um Empathie gehen, um Humanität an und für sich. Aber der Regisseur und Intendant verweigert sowohl jeden interpretatorischen Zugriff als auch das ästhetische Experiment. Was bleibt ist ein mattes, fast dreieinhalbstündiges Arrangement. Auf edel glänzendem Grau werden weiße Plastikstühle immer wieder neu angeordnet, auch mal ganz abgeräumt. Um diese herum bewegen sich die Figuren im Tempo der Musik, die ansonsten mit der theatralen Gestaltung des Abends eher wenig zu tun zu haben scheint. Das Drama um die liebende Frau, die freiwillig an Stelle ihres eigentlich todgeweihten Mannes in den Tod geht, bewegt uns nicht, ermüdet uns eher. Der edel gewandete Chor, teils in Transgender-Kleddage, teils mit Blumenschmuck, soll wohl eine handlungsschwache, dekadente Überflussgesellschaft darstellen, die sich delektiert an Admetos zivilisierten Zusammenbrüchen und an Alkestes endlosen langsamen Wanderungen durch die wechselnden Stuhllandschaften. Ansonsten ereignet sich nichts.

Da hilft es auch nicht, dass René Jacobs Gluck leidenschaftlich als Wegbereiter Mozarts vorführt, dass er das wunderbare B’rock Orchestra geradezu singen lässt, ihm tänzerisches Brio, bizarre Special Effects und exquisite Klangfarben entlockt. Dass Brigitte Christensen die körperlich und musikalisch enorm fordernde Titelpartie mit erstaunlicher Mühelosigkeit und nur wenigen brustigen Wacklern eminent klangschön zu gestalten versteht, dass Thomas Walker für den Admeto Stilgefühl und einen angenehm eigenwilligen Tenor einbringt und Georg Nigl, einer der besten Darsteller in der internationalen Opernszene, im ersten Teil einen - aus mehreren kleinen Rollen zusammengebauten - kleinen Hexensabbat aufführt. Und auch die musikalische Ausnahmeleistung des so transparent wie dynamisch auftrumpfenden Chores MusicaAeterna hilft dem Abend nicht auf. Er bleibt eine traurige, sehr lange Enttäuschung.