A Midsummer Night’s Dream
Einem Kobold schreibt Hans Sachs die wilde Prügelei unter den Nürnberger Handwerkern zu, die erst vom Ruf des Nachtwächters beendet wird.
Und eben dieser Kobold ist es in Kay Metzgers Inszenierung der Meistersinger ,der während der gesamten Inszenierung die Strippen zieht. Mal spielt er Eva ein Blatt von Stolzings Preislied zu, mal hindert er den neugierigen Beckmesser am Betreten des Hauses von Hans Sachs. Metzger konzentriert sich ganz auf die komischen und die melancholischen Facetten der Meistersinger. Mal stolpern die Handwerker berauscht von Stolzings Lied durch einen imaginären Eichenwald, mal liegen alle schlafend kunterbunt durcheinander. Shakespeares „Sommernachtstraum“ in Wagners „deutscher“ Komödie – Metzger gelingt das mit leichter Hand. Er pustet eine frische Brise in das Libretto, nimmt ihm ein Stück seiner erdenhaften Schwere, seiner Betulichkeit, überspielt Längen und fegt jeden Anflug von Langeweile beiseite, schreckt dabei auch nicht vor Slapstickeinlagen zurück.
Und auch ein zweiter Regiestrang besticht. Die Handlung spielt in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Petra Mollérus schafft dazu das passende Ambiente vom Kronleuchter bis zum Dreibeintisch. Wenn dann zum Quintett „Selig wie die Sonne“ mit Sonntagstischdecke die Kaffeetafel gedeckt wird, Eva über ihr Brautkleid einen Nylonkittel zieht und Magdalene Gugelhupf verteilt, ahnt man worauf es hinausläuft. Mit dieser Verortung in eine Zeit, in der Trachtenaufmärsche noch in den Alltag gehörten, Frauen noch wussten, wo ihr Platz war, gelingt es Metzger scheinbar ganz einfach, den deutschtümelnden Schluss zu konterkarieren: Dem Brautpaar wird eine Schrebergartenhütte errichtet mit Jägerzaun, Geranientöpfen und einem Fahnenmast mit deutscher Flagge.
Zum erfreulichen Gesamtbild dieser Inszenierung tragen die Chöre Marbod Kaisers genauso bei wie eine homogen gut singende Meisterschar. Christoph Stephinger als Veit Pogner ist eher liebevoller Vater denn gestrenger Zunftmeister, Gritt Gnauck eine absolut verlässliche Magdalene. Andreas Jören beglaubigt den verprügelten Beckmesser: Seine zunehmende Unsicherheit macht er vokal erfahrbar. Heiko Börners Walther fehlt es nicht an Strahlkraft. Man würde sich nur ein Mehr an Nuancenreichtum wünschen. Eva Bernard hat ebenfalls genügend Power für die Eva, kann aber jungmädchenhafte Leichtigkeit nicht immer vermitteln.
Zwischentöne für den Hans Sachs hat Derrick Ballard viele. Er ist väterlicher Freund genauso wie intriganter Strippenzieher und enttäuscht Liebender – ein schönes Rollenportrait. Die Entdeckung an diesem Abend ist aber Stephen Chambers als David. Wunderschön ebenmäßig, kraftvoll und verletzlich zugleich strahlt sein Tenor im Detmolder Theater.
Lutz Rademacher und sein Orchester sind tolle Partner an diesem Abend. Sie bringen Wagner zum Funkeln, schürfen in der Tiefe der Partitur. Und Rademacher sorgt für perfekte Koordination zwischen Bühne und Graben.
Da mag der Purist die Auseinandersetzung mit dem Kunstbegriff vermissen, politische Fragen... Diese Meistersinger sind einfach ein purer Genuss - und das darf ja auch mal sein. Schluss und Vorhang. Nein, noch nicht ganz: das Ende gehört natürlich dem Kobold. Gaëtan Chailly mimt ihn so schön, frech, derb, aber auch mit so viel Liebe für die Akteure und mit so zerbrechlichen Bewegungen zugleich, dass sicher gesagt werden muss: ohne ihn wäre der Abend nur halb so schön gewesen.