Übrigens …

Le Nozze di Figaro im Theater Hagen

Eine federleichte Komödie

Annette Wolf macht uns den Übergang vom so strahlenden Spätsommer in den eher ungemütlichen Herbst ein bisschen angenehmer. Wie eine federleichte Komödie kommt Mozarts Le Nozze di Figaro am Theater Hagen daher – mit ganz vielen hübschen kleinen Einfällen, die in ihrer Summe immer wieder ein Lächeln auf die Lippen zaubern und behaglichem Vergnügen Raum geben.

Da bedarf es keiner politischen Implikationen. Die Revolution in Mozarts „Revolutionsoper“ macht Wolf im listenreichen, stichelnden Aufbegehren der Untergebenen gegen ihre Herrschaft manifest. Imme Kachel baut ihr dazu die passende Umgebung. In Figaros und Susannas Zimmer liegt ein großer Wäschehaufen, der ideale Platz zum Verstecken, aber auch zum Liebe machen. Sexuelle Anspielungen gibt es bei Wolf immer wieder, nie drastisch, immer dezent. Sie fügen sich so bestens ein in ein Regiekonzept, in dem große Ausbrüche fehlen, stattdessen dem spielerischen Fluss der Handlung Priorität eingeräumt wird. Wunderbar, wie Figaro nicht den Raum vermisst, sondern anhand der Bedienungsanleitung Schrauben abzählt zwecks Aufbau des Bettenmodells „Malmö“ (oder wie auch immer). Einen derartigen Horror hat jeder im Publikum schon erlebt und die ersten Lacher sorgen sofort für eine lockere Atmosphäre. Im Boudoir der Gräfin dann fliegen die drei Türen ständig auf und zu – es ist viel Bewegung in der Szene und man fühlt sich – im besten Sinne- wie in einer guten Boulevardkomödie, Und wenn dann noch der Graf die Axt schwingt, ist gute Laune einfach Pflicht.

Ein solches Konzept umzusetzen, dazu bedarf es eines ungeheuer spielfreudigen Ensembles. Das findet Wolf in Hagen vor. Die drei gestandenen – mit Verlaub - „Rampensäue“ zeigen ihren jungen Kollegen gleich mal, wo „die Hacke am Stiel“ sitzt: Marilyn Bennett als Marcellina, die Blick und Hände nicht fernhalten kann von Susannas Hochzeitskleid, und Rainer Zaun als selbstverliebter Bartolo zeigen Bühnenpräsenz, auch wenn sie stimmlich nicht ganz auf der Höhe sind. Richard van Gemert singt einen verschlagenen Basilio – diesmal nicht Gesangslehrer, sondern Koch. Er beobachtet das Geschehen von Beginn an durch diverse Fenster und zieht seine Schlüsse.

Die Jungen im Ensemble stehen ihre Kollegen in punkto Spielfreude indes nichts nach. Mit viel Herzblut formen alle ein verzahntes, aufeinander abgestimmtes Agieren, wie es Le Nozze di Figaro braucht. Da macht es nichts, das gesanglich sicher einige Wünsche offen bleiben. Stets schwebt nämlich im Raum, dass sich da etwas entwickelt. Die Progression ist immer greifbar. Ein Riesenerfolg für die von Intendant Norbert Hilchenbach seit Jahren gepflegte Ensemblepolitik – den leeren Kassen zum Trotz.

Herausragend singt Kenneth Mattice den Grafen mit wunderbar strömendem Bariton. Veronika Haller als Gräfin ist gefühlvoll, aber in der Höhe bisweilen schrill. Cristina Piccardi (Susanna) und Andrew Finden (Figaro) werden ihre Rollenportraits sicher weiter gestalten und vertiefen. Piccardi wird an Substanz gewinnen und Finden ein Mehr an Differenziertheit. Kristine Larissa Funkhauser hat für den Cherubino die richtige Stimme, wirkt sehr viril, muss aber an stimmlicher Präzision arbeiten.

Den Ritterschlag aber erhält dieser Figaro durch GMD Florian Ludwig und das Philharmonische Orchester Hagen. Ludwig unterstreicht das quirlige Bühnengeschehen durch hohes Tempo, koordiniert Bühne und Graben auf’s Beste und zeigt sich und all seine Instrumentalisten historisch informiert. Herz, was willst du mehr?