Gags, die ins Leere laufen
Er wollte bestimmt alles „anders“ machen. Bunter, lustiger, greller, abenteuerlicher, moderner. Doch hinter der glitzernden Fassade einer Mischmasch-Comic-Welt tut sich schnell die Langeweile auf. Denn einen neuen, entscheidenden oder interessanten Zugang zu Mozarts magischer Oper Die Zauberflöte entdeckt Stefan Huber bei seinem Dortmunder Jux-Produkt nicht. Es bleibt die Geschichte vom Paar, das durch das Bestehen von Prüfungen reifen soll. Aber die beiden Examinanten gehen dabei durch eine Welt des Marketings, der Show, der Gags. Zu oft aber laufen sie in ihrem Witz und in ihrer Pointe ins Leere. Die Aufgaben entstehen aus der Oberflächlichkeit.
Huber, eigentlich ein versierter Musical-Mann, wollte bei seinem Debüt als „seriöser“ Opernregisseur einen neuen Pfad ins Reich des Vorstadttheaters oder auch des Weltanschauungsdramas, zwischen denen dieses unglaublich vertrackte Stück pendelt, finden. Doch seine Spur verläuft sich im Beiläufigen, im gewollt Komischen, in einer Parallelwelt zum wirklichen Dasein. Überall ist Entenhausen… Walt Disney und die amerikanische „wonderworld“ lassen grüßen. Das ist vielleicht eine schöne Idee, aber bei Hubers Inszenierung endet sie in der Sackgasse. Zu wenig von Schikaneders ideologischem Überbau und Mozart genialer Komposition wird neu überprüft. Nur die Kulisse (entworfen von José Luna) ändert sich, sonst kaum etwas.
Bleibt die musikalische Seite. Gabriel Feltz als Dirigent der Dortmunder Philharmoniker verspricht in der Ouvertüre mehr als er im Laufe des Abends einhalten kann. Der Ton, die Sprache der scheinbar schlichten Volksweisen-Oper bleibt reichlich trocken, zuweilen sogar spannungslos. Von den märchenhaft bunten Bildern der Bühne bleibt die Musik ziemlich weit entfernt.
Und die Sängerschar, die doch Großes in jüngster Zeit in der Intendanz von Jens-Daniel Herzog leistet(e)? Das Ensemble ist gut, aber nicht überragend. Kleine Abstriche müssen fast bei allen Mitgliedern des Dortmunder Hauses angemeldet werden. Das fängt bei Joshua Whiteners Tamino (lyrischer Glanz stellt sich noch nicht ein) an und hört bei Ashley Thourets Pamina (gerade zu Beginn zu verhalten) auf. Oder bei Karl-Heinz Lehners Sarastro (zu wenig der glühend-strenge Oberboss des Ganzen) und bei Marie-Pierres Königin der Nacht (in der großen Koloraturarie besticht sie allerdings durch die „Geläufigkeit der Gurgel“). Vielleicht bremst Hubers und Lunas Bilderbuch-Maschinerie zu sehr die Entfaltung der einzelnen Charaktere. Der Chor (Manuel Pujol) reiht sich prall und gewitzt in diese vordergründige Perspektive ein.
Alles schnurrt professionell und glatt ab, aber die hintergründigen Welten dieser differenzierten Beinahe-Tragödie um die Vormacht von Gut oder Böse erklimmen die Damen und Herren des Dortmunder Instituts nur in wenigen Momenten. Sie ertrinkt zu oft in Popcorn-Süße. Phantasia liegt bei diesem Konzept im Opernhaus gleich um die Ecke… Hubers Ausflug landet (oder strandet?) im knalligen Nirgendwo des internationalen Entertainments. Kritisch, skeptisch, provokant? Nein, von einer solchen Spannung ist dieser Zauberflöten-Pop-Spaziergang mehrere Ellen entfernt.
Das Publikum feierte dennoch diese Glitzer-Parade – nach dem Motto: bunt, bunter, am buntesten - zwischen Entenhausen und Hollywood. Sehr wohlwollend.