Attila im Bonn, Theater

Früher Verdi, leicht verunglückt

In Deutschland war Verdis selten gespielter Attila zuletzt in Kaiserslautern und Lübeck zu sehen, wobei das letztgenannte Theater die Peter-Konwitschny-Inszenierung aus dem Theater an der Wien (2013) übernahm. Nun tritt Bonn auf den Plan, wo man 2014 eine Reihe mit frühen Verdi-Opern startete. Ein Wagnis - aber mit Will Humburg geht’s zumindest musikalisch. Wie schon bei Giovanna d’Arco (Oktober 2014) und Jérusalem (Januar 2016) versteht er es bei Attila, die Flammen der Musik lodern zu lassen, ihre rhythmischen Energien anzustacheln und mitunter für ungewohnte Klangwirkungen zu sorgen. So bei der Traumszene des Titelhelden, wo die Streicher mit harschem Tremolo eine unheimliche Stimmung erzeugen. Das Vorspiel verlief in der Premiere noch etwas unkonzentriert, aber das wird sich geben. Der verstärkte Theaterchor ist Klasse.

Von der Regie lässt sich das freilich nicht behaupten. Man war schon einigermaßen konsterniert darüber, was der seit Ewigkeiten verlässlich in Bonn (anfangs auch im Schauspiel) arbeitende Dietrich Hilsdorf diesmal an - sagen wir einmal - Kuriositäten offerierte, worauf ein Teil des Publikums denn auch massiv ablehnend reagierte. Die zauberhafte Così von Hilsdorf (weiterhin im Spielplan) zeigt, dass der Regisseur nicht etwa in einer altersbedingten Krise steckt. Auch Verdis Falstaff jüngst im nahen Köln gelang vortrefflich. Zu bilanzieren ist also wohl ein bedauerlicher Ausrutscher. Das Werk ist daran fraglos auch schuld: eine historische, kolportagehafte Politstory, dramaturgisch plakativ, ohne psychologische Tiefe. Konzertant wäre hier wohl das Beste. Dann stünde im Fall Bonn Will Humburg auch noch stärker im Zentrum.

Dieter Richters Bühne erinnert bereits mit ihrem bemalten Vorhang daran, dass Hilsdorf mittlerweile das Realistische liebt. Insofern ist man flitzebogenartig gespannt auf seinen kommenden Ring an der Deutschen Oper am Rhein. Wenn die Trennwand bei Attila hochgezogen ist, erblickt man einen architektonisch akribisch gestalteten Innenhof, wo sich alles abspielt, was sich das Librettistenpaar Solera/Piave so ausgedacht hat. Im zweiten Akt wird das Arreal durch eine Art Pommes-Bude mit TV-Bildschirm ergänzt, deren Inhaber an passenden und unpassenden Stellen die Tische wienern und den Boden schrubben. Auch sonst gibt sich die Ausstattung einigermaßen zeitübergreifend (Plastikmobiliar, Thermosflasche u.a.). Sinnprägend wirkt das alles freilich nicht, eher spielerisch selbstverliebt. Auch andere Ingredienzien und Spielvorgänge muss man nicht unbedingt auf vertiefende Deutung abklopfen. Hilsdorf hat offenkundig dem Kind im Manne Gelegenheit gegeben, sich ins Rampenlicht zu setzen. Auch die Rahmenbilder von der Ermordung des Holofernes durch Judith (samt einer gewissen Martha) wirken, wenn vom Libretto auch fraglos initiiert, vordergründig und banal.

Die Bonner Sänger machen immerhin Eindruck, auch bei kleinen Partien wie Uldino (Jonghoon You) und Leo I. (Leonard Bernad). George Oniani ist zwar ein typischer Forte-Sänger, wirkt beim Foresto aber vergleichsweise differenziert und vermag mit seiner glänzenden Höhe vokalerotisch regelrecht zu prunken. Als Ezio gibt sich Ivan Krutikov seinerseits baritonal kraftvoll und darstellerisch verausgabend. Der letztgültige Heroinen-Aplomb mag Yannick-Muriel Noahs Odabella fehlen. Doch wie sie sich durch diese mörderische Partie mit vokaler Power und Eleganz manövriert, verdient hohe Bewunderung. In der Titelrolle ist Franz Hawlata zu erleben, in Jérusalem noch weitgehend überzeugend. Jetzt aber klingt seine Stimme ausgelaugt, ohne wirkliche Schwerkraft. Trotzdem reagierte das Premierenpublikum mit Enthusiasmus.