Auf der Suche nach Erfolg und Ruhm
Ein Leben als Star, immer im Mittelpunkt und im Fokus der Scheinwerfer. Angehimmelt zu werden von kreischenden Fans, über die Bühne zu fegen, unter den Füßen die Bretter, die die Welt bedeuten – wer wünscht sich das nicht? Glanz und Gloria, Ruhm und Reichtum sind einfach verlockend! Wie schön, dass es heute Castings-Shows wie Sand am Meer gibt, einige laufen seit Jahren im Fernsehen, zum Teil mit selbst ernannten „Experten“, deren Umgang mit den Kandidatinnen und Kandidaten schlagartig deutlich macht: Star zu werden ist kein Spaziergang.
Und doch ist es für viele Jugendliche absolut verlockend. Sie präsentieren sich der Jury, werden abgekanzelt – oder schaffen doch den Sprung in eine Karriere. Ein höchst aktuelles Thema! Und deshalb kommt die jüngste Produktion des TheaterJugendOrchesters Münster (TJO) genau richtig, ist dicht dran an dem, was Teenies und Twens heute (auch) bewegt. Gloria nennt sich die Performance, die mal in rasantem Tempo, mal mit nachdenklicher Ruhe die Facetten eines komplexen Themas durchleuchtet. Denn was steht dahinter, wenn Nico oder Johanne, Kristin oder Til ihren Rucksack packen und – wieder mal - zum nächsten Casting-Termin anrauschen? Sind es sie selbst, aus denen heraus sich der Wunsch gebiert, zum Pop-Star zu werden? Oder die Eltern? Ist es die erhoffte, aber womöglich aussichtslose Befreiung aus prekären Verhältnissen? Oder ein völlig übersteigertes Ego? Die Motive sind Legion. Und kommen hier, in Gloria zur Sprache. In Form einer rund 100-minütigen Collage aus Ensemblegesang und Tanz, gesprochenen Szenen (die mitunter etwas zu lang ausfallen) und wortlosen Aktionen in Slow Motion. Die Palette der Ausdrucksformen ist vielfältig. Und sie wurden von den Akteuren in wochen-, wenn nicht monatelanger Arbeit selbst entwickelt und ausgearbeitet. Das TJO also in diesem Jahr als Schmiede, in der ganz unterschiedliche Ideen zusammen geschweißt wurden, mit durchaus interkulturellem Anspruch – so wie die Orchestermusik, die weitgehend von Kapellmeister Thorsten Schmid-Kapfenburg „erfunden“ wurde und die er in schillernde Farben getaucht hat: mal saftig romantisch, mal wie ein frommer Choral oder mit Bach-Zitat, mal grüblerisch wie ein langsamer Satz von Gustav Mahler – und ganz oft mit orientalischem Einschlag. Das ist kurzweilig und interessant, zudem auch noch recht anspruchsvoll, was die klangliche Umsetzung angeht. Und da kann Schmid-Kapfenburg aus dem Vollen schöpfen. Nun gut, die Streicher des Orchesters werden an intonationsmäßiger Akkuratesse in den folgenden Repertoire-Vorstellung gewiss noch zulegen – aber bei den Bläsern, der sechsköpfigen Schlagzeugfraktion und dem Klavier-/Celesta-Solisten ist alles zum Besten bestellt, Oboen-, Klarinetten- und Flöten-Soli inklusive!
Der fabelhafte orchestrale Eindruck korrespondiert mit jenem, den die 23 Akteure auf der Bühne hinterlassen: schlicht unglaublich, mit welcher Professionalität da gearbeitet wird! In jeder Hinsicht - sängerisch und schauspielerisch, solistisch und in unterschiedlich groß besetzten Ensembles. Mitunter bekommt man den Eindruck, einzelne Darsteller hätten nie etwas anderes gemacht als auf der Bühne zu stehen und zu spielen, so selbstbewusst und souverän wird an das Ganze herangegangen! Und tanzen können sie alle, die potenziellen Super-Stars von Gloria - ganz egal ob der arrogante Schnösel aus reichem Haus, das schüchterne Mauerblümchen, der neunmalkluge Typ in Trainingshose, die selbstbewusste Zicke, der Junge, der sich selbst als „Vorzeige-Proll“ tituliert oder der Möchtegern-Fraueneroberer. Sie alle spielen mit in diesem großen Casting, bauen sich fortlaufend nummeriert vor der imaginären Jury auf. Das Podium: eine in der Mitte teilbare Showtreppe und zwei luftige, den Raum gliedernde verschiebbare Konstruktionen aus Metallprofilen. Das reicht, um Gefühle und Gedanken, Ängste und Träume in Szene zu setzen.
Ein witziges, ein nachdenkliches Stück, über das zu diskutieren sich lohnt. Und das vor allem von der wahnsinnig tollen Spielfreude aller Beteiligten profitiert!