Übrigens …

Fidelio im Köln, Oper

Wie aus dem Bilderbuch

Die Kölner Oper bietet einen problemkeimfreien Fidelio. Nicht, dass die fiesen Machenschaften Don Pizarros unter den Regietisch gekehrt würden, nicht, dass sich kein Bedauern über den kläglich eingekerkerten Florestan einstellte. Aber das weiß man ja längst aus dem Libretto, welches heutigen Aufführungen andererseits nach wie vor Steine in den Weg wirft. Würde es helfen, das Wort „Tochtermann“ durch „Schwiegersohn“ zu ersetzen? In Kölner Fall wohl kaum. Der Text wird von den (meist) ausländischen Sängern wie gehabt tümelnd gesprochen.

Inszeniert hat der ehemalige Kölner Opernintendant Michael Hampe, ein Altmeister seines Fachs, Betonung auf der ersten Silbe. Er versteht sein Geschäft, hat auch darüber geschrieben. Sein Fidelio ist brav erzählt und deswegen weitgehend inhaltsleer, dazu gestisch vielfach veraltet (Chor). Klar: Beethovens Oper ist inszenatorisch eine Schwerstaufgabe, man kann sie durch „Modernisierungswahn“ natürlich zerstören, aber Bilderbuch für Kinder ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Zudem hapert es bei Hampe regietechnisch. So kniet sich Pizarro plakativ hin, wenn er „schon war ich nah im Staube“ singt. Der Gefangenenchor ergeht sich in niedlichen Leidensgesten. Ein Sträfling lauscht mit aufgeklapptem Ohr sogar ostentativ auf das, war Pizarro mit Rocco verhandelt. Dabei müsste der Mann doch eigentlich völlig verängstigt sein. Und so weiter, und so fort.

Das Premierenpublikum freilich war glücklich, bekam wenig zum Nachdenken und schenkte reichen Zwischenapplaus. Im zweiten Akt hörte dieser auf, nachdem der Dirigent von der Florestan-Arie attacca in das Melodram übergeleitet hatte. Fidelio sollte immer noch Gänsehaut erzeugen, da verbietet sich Nummernapplaus. Aber vielleicht begann man jetzt stärker darauf zu hören, was Alexander Rumpf mit dem Gürzenich-Orchester an beklemmendem Tragödiengeist in Beethovens emotional nach wie vor bohrender Musik beschwor.

Um einen adäquaten Aufführungsrahmen hat sich Hampe immerhin bemüht. Er lässt Leonore III spielen (da gab es seitens des Dirigenten wohl keinen Widerstand), um das Glücksmoment von C-Dur zu unterstreichen. Andererseits verschließt er die im Finale voll geöffnete Bühne zuletzt wieder mit den malerisch dunkelgrauen Mauern von Darko Petrovic. Diese durchaus dringliche optische Geste kann freilich nicht vergessen machen, was zuvor an Deutungsintensität fehlte.

Bei den Sängern sei aus gutem Grund mit zwei Tenören aus dem Opernstudio begonnen. Dino Lüthy ist als Jacquino ein ganzer Kerl, trotz seiner Quängeleien ein recht sympathischer Bursche mit frischer Stimme. Das Solo von Young Woo Kim (1. Gefangener) lässt aufhorchen. Auch Matthias Hoffmann (2. Gefangener) überzeugt mit seinen wenigen Worten.

Der Leonoren-Sopran von Emma Bell vereint dramatischen Aplomb und lyrische Intensität, ihr Porträt besitzt Leidenscharisma. Bei David Pomeroy fehlt es, sein Florestan klingt zudem teilweise recht gepresst. Ein wirkungsvoller Widerling vom Kopf bis zur Sohle: Samuel Youn als Pizarro. Nicht jede Note müsste bei ihm freilich so steingemeißelt klingen. Stefan Cerny gibt den Rocco tadellos, wirkt freilich ziemlich jung; von der Regie wird er zu sehr vernachlässigt. Freude verbreitet Ivana Rusko als bodenständige Marzelline. Vokal kompetent fügt sich Lucas Singer als Don Fernando ins Ensemble. Nicht unerwähnt bleiben darf der einsatzfreudige Chor, wie immer verlässlich von Andrew Ollivant einstudiert.

Ein erfolgreicher Abend, aber kein großer.