Übrigens …

La fedelta premiata im Aachen, Theater

Liebeswirrwarr

Es ist ein schöner Brauch des Theaters Aachen, dass es sein Haus der Hochschule für Musik, Standort Aachen, für die saisonale Bühnenproduktion zur Verfügung stellt, welche gleichzeitig die Spielzeit abschließt. Elf Sänger und Sängerinnen waren für diesmal zu beschäftigen. Eine Hälfte ist wohl deutsch, die andere stammt aus dem fernen Osten (wohl weitgehend Korea), zwei sind von gemischter Nationalität. In Haydns La fedelta premiata (Die belohnte Treue) fand man ein Werk, welches die jungen Künstler angemessen beschäftigt. Dennoch waren vier Doppelbesetzungen erforderlich, wobei die jeweilige Zweitbesetzung im kleinen Chor mitwirkt.

Haydns Schäferspiel fand zu seiner Zeit durchaus Interesse, wurde dann aber vergessen. Erst 1965 konnte eine definitive Partitur herausgegeben werden. Einige Jahre später kam es zu Aufnahmen unter Antal Dorati und Frigyes Sandor und auch zu Bühnenaufführungen (in zwei Fällen mit Jean-Pierre Ponnelle als Regisseur). Eine Standfestigkeit im Repertoire stellte sich jedoch nicht ein.

Das ist unschwer zu verstehen. Liest man die Inhaltsangabe in der Enzyklopädie des Musiktheaters (das Aachener Programmblättchen verzichtet auf Werkerläuterungen), überkommt einen - drastisch ausgedrückt - das kalte Grausen. Liebe kreuz und quer in antiken Gefilden, ein Meeresungeheuer, dem Menschenopfer zu bringen sind, Intrigen, eine beleidigte, dann aber großzügig verzeihende Göttin, Happy End. Ein Mosaik der Antiquiertheit. Es ist kaum anzunehmen, dass die abstruse Handlung für die Aachener Werkentscheidung irgendwie bestimmend gewesen sein könnte, sondern lediglich Besetzungsüberlegungen die Wahl bestimmten. Und fraglos auch Haydns Musik, geschrieben für das nach einem Brand wieder aufgebaute Opernhaus von Esterházy (Premiere 1780). Das Werk enthält Nummern von reicher Er- und Empfindung, welche harmonisch teilweise wagemutige Wege gehen und mit etlichen instrumentalen Finessen aufwarten (zum Beispiel eine Arie mit partiell konzertierendem Kontrabass). In einem Finale scheint Rossini vorweg genommen. Das Hochschulorchester unter Leitung des wie immer umsichtigen und anfeuernden Herbert Görtz (Direktor des Instituts mit langjähriger Kapellmeistererfahrung an verschiedenen Häusern) ließ Haydn Ehre widerfahren.

Einen besonderen Lorbeerzweig hat indes die Regisseurin Tamara Heimbrock verdient, mit diversen Aufgaben bereits an Aachen gebunden. Ihre klare Überzeugung: die Wirrwarr-Story der Haydn-Oper muss unbedingt ironisch gebrochen werden, um sie dem Publikum anbieten zu können. Das geschieht witzig und clever. Schon vor Musikbeginn bevölkern die Sängerdarsteller in ausgelassener Stimmung die Bühne von Detlev Beaujean, ein Arkadien mit silhouettenhaften Bäumen, auf eine Treppenlandschaft gepflanzt. Durch die Drehbühne kommt immer wieder zusätzliche Bewegung auf. Schöne Kostüme mit skurrilem Anstrich steuert Lea Reusse bei. Es wirkt weiterhin ein präpariertes Schaf namens Olaf mit.

Inszenatorische Grundidee von Tamara Heimbrock ist, die Oper als studentisches Theatervergnügen zu präsentieren, als wie es in Aachen ja auch realiter stattfindet. Der intrigante Melibeo gibt als Maître de plaisir mit lautem Glockenzeichen immer wieder das Startzeichen für die jeweils nächste Szene, deren Protagonisten durch Los festgelegt werden. Szeneninhalt und -abfolge erhalten solcherart eine „Begründung“, die aber natürlich psychologisch nicht  tiefer hinterfragt werden will. Unwahrscheinlichkeiten werden humorvoll vergrößert ausgestellt, wobei hin und wieder auch die Übertitel mitwirken, welche andererseits auf die präzisen Arientexte gnädigerweise verzichteten. Besonders komisch wirkt das alles bei dem tumb verliebten Fileno, der sich immer wieder das Leben nehmen will und nicht dazu kommt. Der Junge ist ja eigentlich ein echter Waschlappen, aber Woongyi Lee macht das lieb und nett, singt dazu mit breitem, farbigen Tenor, der nur hin und wieder einen etwas helleren lyrischen Anstrich hätte vertragen können.

Es ist einigermaßen problematisch, bei jungen, noch in der Ausbildung befindlichen Sängern Wertungen vorzunehmen, vielleicht sogar überhaupt Namen zu nennen. Sagen wir also einmal so: alle Akteure in der Haydn-Oper können sich hören lassen und sind darüber hinaus famose, lustvolle Darsteller. Dennoch seien Hervorhebungen erlaubt. Da wären die reizende Soubrette Anna Christin Sayn (mit ihrem speziellen Jungmädchen-Timbre bei der Nerina überzeugend besetzt), die mezzo- und ausdrucksstarke Sissi Qi Wang als Celia und nicht zuletzt der in jeder Hinsicht präsente Michael Terada als giovannesker Conte Perrucchetto. Höchst Erfreuliches kommt aber auch von Milena Knauß, Jiyuan Qiu und Chanho Lee.

Das Theater Aachen war bei der Premiere dicht gefüllt (vermutlich viele Familienmitglieder und Freunde der Sänger) und es wurde heftig applaudiert. Wahrscheinlich verlaufen die nächsten drei Vorstellungen etwas temperierter. Aber der Erfolg des Unternehmens ist eindeutig.