Die versaute Braut
Immer wieder mag einem der Gedanke kommen, ob die Genrebezeichung „komische Oper“ wirklich sinnvoll ist. Gibt sich ein Werk heiter, wird das wohl auch der Begriffstutzigste früher oder später merken. Mit dem italianisierten Begriff „opera buffa“ tut man sich als Deutscher aufgrund von Sprachdistanz sicher etwas besser. Wirklich problematisch wird „komisch“ bei einer Oper wie Smetanas Die verkaufte Braut. Was soll hier komisch sein? Allenfalls die skurrile Zirkusgesellschaft. Der stotternde Wenzel hingegen ist ein bedauernswertes Bürscherl, von seinen Eltern total gegängelt. Rührend, wie er durch sein verdorrtes Leben tapst und erst bei der Begegnung mit der schönen Marie aus seinem emotionalen Verlies kriecht. Und dieses heißverliebte Mädchen? Sie durchläuft eine echte Tragödie, welcher das Dur-Finale keineswegs ein schattenloses Glück garantiert. Die Ankündigung des Aalto-Musiktheaters „Was auf den ersten Blick wie eine Komödie erscheint, entwickelt sich zu einem Albtraum Mariens, aus deren Sicht die Handlung in der Regie von SKUTR erzählt wird“, erweckte also Hoffnungen.
SKUTR ist ein Regieduo von Martin Kukucka und Lukás Trpisovský, beide Jahrgang 1979. Ihre inszenatorische Spezialität (offenkundig erfolgreich) ist die Kombination theatralisch heterogener Disziplinen. Wie weit sich das auch auf ihre Arbeiten für das Musiktheater auswirkt, müsste bei Bedarf recherchiert werden. Das Deutschland-Debüt mit Smetana ist freilich mit Verdis „O don fatale“ zu charakterisieren.
Von einem Albtraum Mariens merkt man weit und breit nichts. Zwar geistert sie immer wieder über die Szene, ohne dass diese Auftritte freilich irgendeine Sinnfälligkeit vermitteln würden. Dass Martin Chocholousek für die Bühnenausstattung eine Turnhalle wählt, wird mit tschechischen Traditionen erklärt. Wenn solche optischen Hinweise aber mehr verunklaren als verdeutlichen, sind sie fehlplatziert. Und vor allem dies: es passiert so viel an unsäglichem Klamauk und zirzensischer Aufgemotztheit (nicht zuletzt beim Chor), dass man nicht gewillt ist, „Erklärungen“ hierüber im Programmheft nachzulesen. Der Rezensent verließ die zutiefst quälende Aufführung in der Pause, ist jedoch sicher, beim Rest des Szenengemurkses nichts Essenzielles versäumt zu haben.
Es lohnt, nicht nur das Ohr, sondern auch das Auge auf Tomás Netopil zu richten. Wie er mit den fabelhaften Essener Philharmonikern die Ouvertüre rasant und dynamisch scharfkantig ablaufen lässt, ist ein hochgradiges Vergnügen. Auch in der Folge gibt der Dirigent Smetanas Werk alle Glaubwürdigkeit, welche ihm das Szenikerteam verweigert.
Es wäre wahrscheinlich interessant, die Sänger mal in einen Beichtstuhl zu bitten und sie dort zu fragen, wie sie mit den ihnen aufoktroyierten Kaspereien zurechtkommen. Möglicherweise haben die Regisseure sie ja überzeugen können. Der Rezensent empfand das Ganze jedoch, wie schon angedeutet, als katastrophal. Die Marie von Jessica Muirhead bietet einen blühenden Mädchensopran, Richard Samek hadert etwas mit den Höhen und ist als Hans tenoral ohnehin kein wirklich fescher Kerl. Einen stimmfesten Wenzel gibt Dmitry Ivanchey ab (sonst mehr im lyrischen Fach beschäftigt). Wirklich voll auf seiner Rolle liegt Tijl Faveyts als Kezal, vollmundig im Gesang, auch wenn die Tiefe etwas bemüht wirkt. Weitere Sängerdarsteller: Peter Paul (Kruschina) und Bettina Ranch (Ludmilla). Wegen vorzeitiger Verabschiedung aus der Aufführung wurden nicht gehört: Karel Martin Ludvik (Micha), Marie-Helen Joël (Hata), Christina Clark (Esmeralda) und Rainer Maria Röhr (Prinzipal).