Geisterritter im Oper Bonn

Grusel im Internat

Diese Uraufführung der Bonner Oper ist ein Event, nicht nur die wohl erste Veroperung eines Buches der ungeheuer erfolgreichen Kinder- und Jugendbuchautorin Cornelia Funke (Tintenwelt, die wilden Hühner), sondern auch eine wirkliche Familienoper - also etwas für Kinder und auch für ihre Eltern. Die müssen nicht nur betreuend mitgehen, sondern haben auch ihren Spaß, sowohl an der eklektischen, stimmungsvollen, wenn auch nicht immer ganz stimmigen Musik von James Reynolds als auch an den fantasievollen, oft überraschenden, wenn auch nicht in jedem Moment dem Klischee entkommenden Bildern des als Videozuarbeiter renommierter Regisseure bekannten Duos fettFilm. Es ist das große Verdienst des Regisseurs Erik Petersen, diese beiden dominanten Komponenten stimmig zusammengeführt zu haben.

Geisterritter ist eine Internatsgeschichte. Der aus einer Patchwork-Familie in die Pensionsschule entsandte Jon trifft in Salisbury auf fiese Geister, die noch eine Rechnung mit Vorfahren seiner Mutter offen haben, freundet sich mit einer geisteraffinen Mitschülerin an und gewinnt den guten Geist William, einen Halbbruder des Königs Richard Löwenherz, der an einem diffusen Schuldkomplex leidet zum Beschützer - und besorgt diesem am Ende sein verlorengegangenes Herz, was den Ritter wieder mit seiner Frau vereint.

Es beginnt mit einer Art Geistersabatt. Lichtblitze durchzucken das Theater, eine hallig flüsternde Stimme mahnt, die Handys auszuschalten, Jon fährt herein in einem Eisenbahnabteil - und plötzlich sind überall Geister. Teilweise scheinen sie aus dem Tanz der Vampire entsprungen, teilweise scheint es sich um in die Jahre gekommene Werwölfe zu handeln. Sie veranstalten eine Art Happening der Missgunst. Dann spricht Jon zum Publikum, sagt sinngemäß, dass diese Figuren sich immer an dieser Stelle vordrängen würden und man jetzt mit dem Anfang beginnen würde. Es wird also versucht, hier die eine oder andere Metaebene einzuziehen. Das misslingt - und ist unnötig. Denn wenn die Inszenierung einfach ins Erzählen kommt, ist sie großartig. Weil fettFim eine Ausstattung geschaffen hat, die immer wieder die Fantasie der Zuschauer aktiviert, etwa mit Gezeichnetem, bewusst nicht Fotorealistischem. Und weil James Reynolds vieles kann. Er ist Broadway-erfahren und kennt sich mit Electro-Pop genauso gut aus wie mit Minimal Music und klassischer. So hat er besonders für den bösen Obergeist, der zudem von Christoph Klimke einen, hier sind vor allem die Eltern angesprochen, herrlich ironischen Text mitbekommen hat, eine unterhaltsame und sehr avancierte Partie geschrieben. Bernhard Landauer bedankt sich mit avanciertem und geläufigen Countertenor und angemessen sardonischer Ausstrahlung. Zweiter Höhepunkt von Partitur und Inszenierung sind die drei Kröten. Da hat der Schauspieler und Tänzer Cedric Sprick zwei Mitglieder des Theater-Jugendclubs angelernt und alle drei hiphopen und breakdancen mit außergewöhnlichem Charme, ob nun als Mitschüler oder als Haustiere. Die Hauptpartien, von David Fischer als Jon und Marie Heeschen als Ella engagiert und musikalisch gestaltet, sind da schon etwas konventioneller geraten - und ausgerechnet zu Ritter William ist Reynolds nichts eingefallen. Giorgos Kanaris muss blass, edel und reizlos tönen und steckt zudem bei seinem ersten Auftritt sozusagen in seiner eigenen Grabplatte fest.

Dennoch gelingt Erik Petersen nach dem Anfang ein etwa einstündiges rauschendes Theaterfest voller schöner, nicht immer überraschender, aber immer der Erzählung dienender Effekte. Absoluter Höhepunkt ist dann, direkt nach der Pause, das Terzett der drei brünftigen Internatsschüler, das jeder Broadway-Show ein Glanzlicht aufsetzen würde. Aber danach ist es leider mit der großen Herrlichkeit vorbei. Man spürt den Zwang, zu Ende zu kommen, die für Kinder schon arg lange Distanz von zwei Stunden mit Pause nicht zu überschreiten. Jetzt werden nur noch Handlungspunkte aufgesucht und abgearbeitet. Es reicht gerade noch zu einer zärtlichen und nicht kitschigen Zusammenführung des jugendlichen Heldenpaares, aber die Erzählkultur bleibt auf der Strecke. Vielleicht kann man ja nochmal ran, den überflüssigen Aufgalopp kleinrechnen und der zweiten Hälfte der Handlung etwas Futter und Komplexität zugestehen. Dann werden die Geisterritter, zumal in derart schöner Ausstattung sicher zum überregionalen Hit.