König Drosselbart im Theater Münster

Herab vom hohen Ross, Prinzessin!

Prinzessin Victoria ist eine ganz schöne Zicke! Ziemlich hochnäsig und egoistisch. Alles hat nach ihrer Pfeife zu tanzen, nicht nur ihre quirlige Zofe Susanne. Und ihren armen Vater bringt die Göre regelmäßig dann zur Verzweiflung, wenn’s mal wieder um die Wahl eines potenziellen Bräutigams für die Prinzessin geht. Nicht weniger als 777 Bewerber hat sie bislang abblitzen lassen. So ein Biest!

Aber an König Drosselbart, den jüngsten Asprianten auf den Job als Bräutigam, wird sie sich die Zähne ausbeißen. Der hat sich nämlich in sie verliebt und gibt so schnell nicht auf und denkt: Wenn Victoria ihn schon nicht als edlen König haben will, dann eben anders. Wie gut, das Victorias Vater unwiderruflich „Basta“ gesagt hat und seine Tochter dazu verdammt, nicht den Traumprinzen sondern den erstbesten Bettler zum Gatten nehmen zu müssen, der sich draußen vor dem Tor des Schlosses zeigen wird. Schnell ein schäbiges Bettlerkleid umgeworfen... und schon mutiert Drosselbart zu eben solch einem Bettler, der kurzfristig sein Schloss gegen einen ärmlichen hölzernen Wohnwagen eintauscht. Und jetzt lernt Victoria eine ganz neue, ganz andere Welt kennen - und dass für sie so gewohnte und selbstverständliche Dinge wie weiche Betten, viel Geld und auch Dienerschaft nicht das Wichtigste im Leben sind. Auf dem Marktplatz muss sie Krüge und Schalen verkaufen, damit’s für den Lebensunterhalt des frischgebackenen Paares reicht. Tja, so sieht die wirkliche Welt der „normalen“ Leute aus! Zum Beispiel auch für die Zofe Susanna und Johannes, Drosselbarts Kammerdiener. Deren Lebensrealität lernt sie jetzt also auch einmal kennen, die freche Victoria! Alles nicht so einfach...

Ulrich Peters, Generalintendant des Theaters Münster, hat das Märchen der Brüder Grimm höchstpersönlich in Szene gesetzt - und dies unheimlich farbenfroh und mit ganz viel Liebe zum Detail. Er macht dabei seinem jungen Publikum klar, dass man einerseits natürlich nicht fies und halsstarrig zu seinen Mitmenschen sein soll, andererseits aber auch Vicoria bisweilen Recht hat, wenn sie „nein“ sagt. Man darf sich eben auch nicht alles gefallen lassen.

Und nur, wenn alle sich einbringen können, Victoria gelernt hat, dass man auch mal etwas selbst machen muss, König Drosselbart eingesehen hat, dass man Erziehung nicht ständig übertreiben darf - nur dann gibt es am Ende ein wirklich schönes Fest mit Lichterkette und Pfannkuchen aus Rebhuhneiern mit Heidelbeersoße.

Auf der virtuos mit Kulissen bestückten Bühne ist Karo Trumpf und alle haben rote Haare, denn alle sind Feuerköpfe, die mit demselben durch die Wand wollen. Um dann doch erstmal lernen zu müssen, aufeinander Rücksicht zu nehmen. Das gilt für Victoria, die Andrea Spicher herrlich halsstarrig gibt, aber auch für den so total verknallten Drosselbart. Man sieht förmlich, wie Benedikt Thönes rosarote Luftschlösser in den herrlich blauen Himmel malt. Linn Sanders und Frank Casali als Diener und Zofe sind selbst so unsagbar in einander verliebt und finden doch noch Zeit, sich um andere zu kümmern. Ganz zauberhaft auch Lucas Sánchez als etwas dusseliger Prinzessinnenanwärter Hironimus zu Schlickenthal-Birnenheim und Tom Ohnerast als (Nomen ist Omen!) Siegfried mit Helm und Schwert, der fast jeden seiner Sätze schließt mit der Bemerkung „Mer sach ich nich“. Einfach köstlich. Vor allem auch Wilhelm Schlotterer als Victorias beklagenswerter Vater.

Götz Alsmann hat hübsche illustrative Melodien komponiert, die den König Drosselbart ganz wunderbar abrunden und zu einem von vorn bis hinten tollen Märchenerlebnis werden lassen. Richtig froh ist man, wenn nicht nur Drosselbart und Victoria endlich zueinander finden, sondern auch Susanne und Johannes. Da kann dann auch schon mal das eine oder andere Tränchen fließen.

Was unbedingt positiv zu bewerten ist: die Textfassung von Peter Dehler! Er pflegt eine durchaus anspruchsvolle, gehobene Sprache, fällt also nirgends auf ein Niveau zurück, das man oft als vermeintlich „kindgerecht“ deklariert - und damit die jungen Menschen im Publikum völlig unterschätzt.