Bildgewaltige Naturparabel
Federn zieren den Umschlag des Programmhefts zu Das schlaue Füchslein. Und die sind signifikant für Leos Janáceks Oper. Sind Menschen und Tiere nicht wie Federn im Wind dem Kreislauf der Natur ausgeliefert? Die einen stemmen sich mit Macht dagegen, versuchen sie zu beherrschen, die anderen passen sich an und leben im Einklang mit ihr.
Mascha Pörzgen und ihr Ausstatter Christof Cremer setzen den Gegensatz von Natur und Zivilisation in zauberhafte Bilder um: Ein Leiterwald beherrscht die Bühne, der viel Raum bietet für Verstecke, Platz zum sich gegenseitigen Beobachten, Belauern und Verstecken. Das Haus des Försters wird dominiert von einem drahtbewehrten Hundezwinger. Hier müssen sich die Tiere menschlicher Gewalt unterwerfen. Pörzgen erzählt anschaulich, was passiert, wenn Ungezähmtes in diese normierte Welt verfrachtet wird. Die gefangene Füchsin hat ein - mehr handfest als zart beschriebenes - sexuell motiviertes Verhältnis zum Förster, lässt sich aber nicht domestizieren, begehrt auf, wütet im Hühnerstall und flieht. Sie findet im Wald schnell zu ihrem natürlichen Leben zurück und einen wilden Lebensgefährten. Ihr Ende kommt, als sie im Wilderer Háratschka einem Menschen begegnet, dessen eher anarchisches Auftreten sie nicht einzuschätzen vermag. Denn er bewegt sich außerhalb des menschlichen Verhaltens, dass sie kennen gelernt hat.
In Hagen entfaltet sich Janáceks Parabel über den ewigen Kreislauf der Natur und den Gegensatz von Zivilisation und Wildnis in berauschend schönen Bildern. Das ist auch Christof Cremers berückenden Kostümkreationen zu verdanken, in denen er Menschen- und Tierwelt in stimmiger Modernität miteinander verschränkt. Will man mäkeln , dann nur auf hohem Niveau: Verzichten kann man sicher auf den Einkaufswagen, der hier, wie in so vielen Inszenierungen, auch als Zeichen der Gegenwart über die Bühne geschoben wird. Am Ende resigniert der Förster, erkennt seine Ohnmacht ob der Gewalt der Natur. Warum allerdings ein Selbstmordversuch angedeutet wird, erschließt sich nicht wirklich.
Wunderbar versteht es das Regieteam, Janáceks so unglaublich poetisch daher kommende Musik zu illustrieren. Schade nur, dass auf das tschechische Idiom verzichtet wurde. Wer Janàcek-Opern einmal in der Originalsprache gehört hat weiß, wie gerade bei ihm Sprache und Musik miteinander eine kongeniale Einheit bilden, die den Zauber der Musik zu höchster Entfaltung bringt.
Aber dem Ensemble gelingt dennoch eine Umsetzung auf hohem musikalischem Niveau. Allen voran glänzt Dorothea Brandt in der Titelrolle. Ihr Sopran ist gereift und kann alle Facetten der Füchsin ausloten. Vor allem ist sie - durch lange Ensemble-Erfahrung - eine absolute Team-Playerin. Genau diese Eigenschaft ist gefordert im Schlauen Füchslein. Und genau damit kann das Theater Hagen punkten, hat es gerade doch im hervorragenden Miteinander auf der Bühne seit vielen Jahren sein „Alleinstellungsmerkmal“ heraus kristallisiert und kann das voll ausspielen. Alle ordnen sich dem Ganzen unter. Das gilt für Kenneth Mattice als burschikosem Förster und für Kristine Larissa Funkhauser als dessen Ehefrau genauso wie für Rainer Zauns furiosen Dachs und Olaf Haye als profunden Landstreicher. Marilyn Bennett als Dackel und Boris Leisenheimer als Mücke können ihr komisches Talent ausspielen.
Es glänzte der hervorragend einstudierte Kinderchor des Hagener Theaters. Und noch etwas ist typisch für dieses Haus: Immer wieder werden neue Stimmen präsentiert. Dieses Mal ist es Jennifer Panara als Fuchs, deren wunderbar timbrierter Mezzo das Liebesduett mit der Füchsin zu einem Höhepunkt macht.
Joseph Trafton und sein Orchester zaubern luftig und sehr transparent Janáceks „Waldweben“ auf die Bühne. Lediglich die Blechbläser hätten bisweilen einmal mehr auf die „Bremse“ treten können. Dem Theater Hagen gelingt ein perfekt gerundeter Abend, der ein Plädoyer ist für Janáceks so unglaublich eindrückliche Musik.