Imperator Rex
Da sitzt der arme Kaiser in Haus Doorn im Exil und hackt Holz - tagaus, tagein. Und sein Adjutant von Ilsemann leistet ihm Gesellschaft, muss seine Launen ertragen.
The Crazy Antiwar History Rallye - Wilhelm II. heißt das „Rockmusikdrama“ von Wolfsmehl, das die Ruhrfestspiele jetzt in einer „Uraufführung“ präsentieren, nachdem es vorher schon in ein paar sogenannter „Previews“ am Stadttheater Minden zu sehen war - ein wahrhaft künstlerisch gewobenes Bennenungskonstrukt, um ja während der Ruhrfestspiele „uraufführen“ zu können.
Genauso konstruiert ist auch das Stück selbst: Wir erfahren von der brutalen Kindheit des Monarchen, von seinem Leiden an seiner Körperbehinderung. Daraus soll wohl seine Grausamkeit hergeleitet werden, wie auch seine Verherrlichung des Krieges. Wir erfahren auch, wie der Ex-Kaiser sich einerseits von den Nazis abgrenzt, sie aber gleichzeitig auch empfängt und sich hofieren lässt und seine Angestellte nicht vor der Willkür des NS-Regimes schützt. Wir erfahren, wie sehr er trauert um seine Verwandten, die russische Zarenfamilie - alles Mosaiksteine, die ein Charakterbild ergeben, dass sich allerdings schon nach einer Viertelstunde verfestigt hat und dann nicht mehr durch neue Aspekte bereichert wird. Was mag also das erkenntnisleitende Interesse der Autoren gewesen sein? Wollten sie ein Psychogramm Wilhelms des II. zeichnen? Dann war es ein etwas lang geratener Versuch, der eigentlich auch niemanden wirklich vom Hocker reißt. Lasst Tote doch einfach ruhen! Der Titel Antiwar History insinuiert jedoch etwas anderes: Sollte das Unterfangen dazu gedient haben, die höchst komplizierte Kriegsschuldfrage des Ersten Weltkrieges in einer Persönlichkeitsstruktur zu kumulieren, wird’s gefährlich und riskant.
Sebastian Lohse schreibt zum Bühnengeschehen gefällige Lieder, in denen sich der Kaiser zu Marschrhythmen als „Imperator Rex“ inszenieren darf, andere erinnern bisweilen an zahnlose Versionen von Brecht-Chansons. Mit Rockmusik - und das darf mit Verlaub und Nachdruck festgestellt werden - hat das Ganze definitiv nichts zu tun.
Das Regieteam schafft ein paar schöne Bilder und eine angemessene „holzlastige“ Kulisse. Alle Akteure geben ihr Bestes und vor allem sängerisch sehr Erfreuliches - aber als am Schluss Adjutant von Ilsemann ein anscheinend unvermeidbares „Ich wäre so gern sein Freund gewesen“ singt, ist die Grenze dessen, was man zu diesem Sujet hören und sehen möchte, dann doch erreicht.