Partnersuche im Privatkanal
Nein, ist das langweilig! Ewig dasselbe, von morgens bis abends. Lady Harriet erstickt förmlich an den täglich gleichen Ritualen am Hofe, an den ewig gleichen Menschen rings um sie herum. Weshalb nicht mal ausbrechen aus all den Konventionen? Wenigstens für ein paar Tage. Und Nancy, Lady Harriets Vertraute, zieht mit, blieben ihre bisherigen Aufmunterungsversuche doch völlig erfolglos. Beiden kommt die Idee, sich ihrer hochadligen Identität zu entledigen, sich als Mägde zu verkleiden – und den Markt zu Richmond zu besuchen, wo gerade dienstbare weibliche Geister meistbietend von den Bauern der Gegend ersteigert werden. Womöglich ist ja ein fescher Bub dabei?
So beginnt die Geschichte, die Friedrich von Flotow in Martha oder Der Markt von Richmond erzählt, jener 1847 uraufgeführten lustigen Spieloper, der ein unglaublicher und über etliche Jahrzehnte anhaltender Erfolg auf nationalen und internationalen Bühnen beschieden war. Gewiss: dieser Erfolg ist zwar längst verblasst und das Stück steht nur selten noch auf den Spielplänen. Vielleicht weil der Plot nun doch recht einfach „gestrickt“ und manches der Handlung schlichtweg vorhersehbar ist. Aber Martha ist und bleibt gute Musik. Und als Unterhaltung auf hohem Niveau hat Martha auch heute (noch oder wieder) ihre Berechtigung. Das jedenfalls unterstreicht Regisseur Kay Link mit seiner aktuellen Inszenierung.
Ihm fällt ein hübsch aktualisierender „Kniff“ ein, indem er Martha als das anlegt, was sie gut und gern sein könnte: eine Fernsehshow unter dem Titel „Bauer sucht Frau“ - oder hier genauer: „Landwirt sucht Magd“, irgendwo in den Alpen, wo die Frauen noch Dirndl tragen und die Kerle in ihren Krachledernen umherlaufen. Lady Harriet und Nancy mutieren zu Martha und Julia. Und auch der lästige Cousin Sir Tristan, ab sofort „Bob“, bekommt eine Lederhose und einen lustigen Seppelhut mit Gamsbart verpasst. Das Spiel nimmt seinen Lauf vor laufenden Kameras und unter Federführung der Fernsehmoderatorin Frau Brause (die verblüffende Ähnlichkeiten aufweist mit der real existierenden Inka Bause!). Kay Links Idee trägt. Von vorn bis hinten. Einfach nett anzusehen, wie sich Lyonel und Plumkett, die beiden Landwirte, die Martha und Julia auf dem Markt anheuern werden, werbend präsentieren. Später sorgen die Kameras auch für eine „Homestory“, in der schnell deutlich wird, dass die beiden Neuzugänge keine Ahnung von Garnichts haben, also zu häuslicher Arbeit völlig unfähig sind. War anderes zu erwarten? Es kommt, wie es kommen musste: Lady Harriett und Nancy fliehen, Lyonel und Plumkett bleiben tief verletzt zurück!
Papparazzi - also noch einmal ungezügelte Medien - sind es dann auch, die in den Wald stürmen, als dort irgendwelche Promis ein Meeting abhalten. Die beiden vermeintlichen Mägde sind auch dabei, inzwischen wieder in ihre ursprüngliche Identität mutiert. Zufällig sind Lyonel und Plumkett auch vor Ort, erkennen ihre Mägde, die aber bestreiten, eben jene zu sein. Und dann kommt der „Showdown“, der immer gut funktioniert: Lyonel entpuppt sich als aus gräflichem Geschlecht stammend. Und am Ende gibt es Doppelhochzeit: die Paare finden zusammen. Lyonel bekommt seine Lady, Plumkett deren Vertraute. Alles in bester Ordnung!
Mit vielen kleinen Details amüsiert Kay Link sein Publikum, spart nicht mit witzig inszenierten Situationen, etwa jener, in der Lord Tristan alias „Bob“ die Damen in Superman-Montur befreit.
Das Ganze ist eine augenzwinkernde Persiflage auf das Doku-Soap-TV, das nicht Wenige tagtäglich in der Flimmerkiste sehen. Nur bekommen sie kaum so schöne, schwungvolle, atmosphärisch wunderbar passende Musik zu hören, wie Friedrich von Flotow sie für Martha geschrieben hat. György Mészáros setzt sie am Pult des Symphonischen Orchesters des Landestheaters Detmold farbenprächtig und federnd um und trägt damit das Solistenensemble auf der Bühne wie auf Händen: Emily Dorn als Lady Harriet, Dara Savinova als Nancy, Seungweon Lee als etwas tumber Lord Tristan und Rita Gmeiner als ewig grinsende TV-Moderatorin. Benjamin Lewis macht eine ausnehmend gute Figur als der betuchte Pächter Plumkett, Stephen Chambers fällt im Detmolder Ensemble zum wiederholten Mal als spielgewandter und sängerisch lockerer Tenor auf. Alle können in von Flotows prickelnden Ensembles glänzen. Das macht einfach Spaß: tolle Melodien, aufgepimpt im RTL-Gewand.