Brexit ist Mist!
Am Theater Mönchengladbach kam die satirische Revue Let’s Stop Brexit mit Musik von Arthur Sullivan heraus. Ein Glanzstück intelligenter, witziger Unterhaltung. Ulrich Proschka, Autor und Regisseur bei diesem höchst ungewöhnlichen Projekt, - befasst sich Musiktheater eigentlich nie mit dem aktuellen politischen Geschehen – hatte Glück, dass die jüngsten Ereignisse in der britischen Politik ihm keinen Strich durch die Rechnung machten. Thematisiert er sich doch den seit Monaten im britischen Unterhaus und in der Presse heiß diskutierten Brexit, dem Austritt Großbritanniens aus der EU. Und die zentrale Rolle, die Theresa May, die britische Premierministerin, dabei spielt. Dabei ignorierte er bei der Konzeption des Plots die realpolitischen Verhältnisse, um dem Abend die nötige Dramatik zu verleihen. Proschka: „Zu behaupten, die Premierministerin könne mit einer von plötzlichem Gesinnungswandel befeuerten Brandrede den Brexit 5 vor 12 noch aufhalten, war notwendig Fiktion. So spielt das Stück am Vorabend und am Morgen der „Entscheidung“ , um das scheinbar Unabwendbare noch zu verhindern.“
Die Zuschauer betreten im großen Saal des Theaters Mönchengladbach die Bühne, wo eine Kopie des britischen Unterhauses aufgebaut ist. Ganz so, wie man es aus zahlreichen Fernsehberichten kennt. Ein großer Tisch in der Mitte, Sitzbankreihen für die regierende Partei bzw. für die Opposition auf beiden Seiten. Lediglich der „Speaker“ fehlt. Zu Beginn wird das Publikum – zuerst in tadellosem, britischen Englisch, dann in Deutsch – auf die Notausgänge von dieser Bühne hingewiesen.
Die Akteure betreten die Szenerie: Zwei Abgeordnete in grauem „business suit“ mit Hemd und Krawatte: Henry Crowfield (Markus Heinrich) und Matthew Plainbrooke (Matthias Wippich). Ihre Namen spielen auf die Städte Krefeld und Mönchengladbach an, die schon lange in einer Theatergemeinschaft verbunden sind. Debra Hays, Urgestein im Musiktheaterensemble des Theaters Krefeld/Mönchengladbach, gibt Theresa May. In rotem Kostüm, roten High Heels und grauer Perücke sieht sie Theresa May wirklich recht ähnlich. Gabriela Kuhn glänzt als ihre leicht verhuschte Assistentin Mabel Stanley, die von dem ebenfalls recht schüchternen Plainbrooke zaghaft umworben wird.
Die beiden MPs wollen unbedingt verhindern, dass die Premierministerin mit einer fulminanten Rede das Parlament zu einer Abstimmung bringt, die GB aus der EU hinauskatapultiert. In einem heruntergekommenen Pub mit Namen „The Hot Plot“ entdecken sie zufällig die recht proletarisch-ordinär wirkende Bedienung Ms Cripps (Debra Hays). Auch sie ist gegen den „bloody Brexit“. Da sie May erstaunlich ähnelt, kommen die Herren auf die Idee, sie, entsprechend geschminkt und kostümiert, als Doppelgängerin der Premierministerin auftreten zu lassen, um mit einer flammenden pro Europa-Rede den Brexit noch abzuwenden. Gesagt, getan. Nur muss die echte Theresa May noch verschwinden und das Geschehen nimmt seinen Lauf. Mabel unterstützt sie nach Kräften, nicht ganz uneigennützig, kommt sie doch Matthew so viel näher.
Der Abend ist sicherlich keine Analyse der politischen Situation. Da aber äußerst witzig und liebevoll mit Klischees (z.B. dem ach so schlechten englischen Essen im Pub) und vielen Details (man sieht einen Riesenschuhschrank mit einer enormen Sammlung von Schuhen, ist doch Theresa May für ihren Schuhtick bekannt) - sie zitiert einmal Marylin Monroe: „Gib einem Mädchen die richtigen Schuhe und sie kann die Welt erobern.“- , amüsiert man sich köstlich. In einer Szene springen die beiden Herren mit einer blond-weißen Boris - Johnson – Perücke auf den Tisch und geben einen Song zum Besten. Ein passender Gag, gehörte doch der frühere Bürgermeister von London und später für kurze Zeit als Außenminister agierende Johnson zu den glühendsten Anhängern des Brexit. Matthew malt seiner angebeteten Mabel aus, wie er sie nach Europa entführen wird („Ich fahre mit dir nach Europa“), um Frankreich, Deutschland und Italien zu besuchen. Luftballons in den Farben dieser Länder illustrieren seine Gedankenreise.
Das Konzept für diesen Abend geht auf. Die von Proschka gedichteten Reime passen wunderbar zu den Operettenmelodien. Heinrich ist hervorragend als gewiefter, alter Fuchs im politischen Geschäft, Wippich ein herrlich unbeholfener Verliebter. Hays meistert die Doppelrolle – redegewandte, selbstbewusste Politikerin hier, proletarische Frau aus dem Volke, natürlich mit Tattoos dort - problemlos. Und stimmlich ist das Quartett hervorragend.
Die zwei Stunden des Abends verfliegen rasch und man verlässt das Theater bester Laune.