Die "goldenen" Zwanziger Jahre
Marilyn Monroe ist die Ukulele-Spielerin in Sweet Sue‘s Damen-Kapelle. Sie hat ein massives Alkoholproblem. Und Regisseur Billy Wilder gelingt es in Some like It Hot auf unnachahmliche Weise, die ganze Schutzlosigkeit, den Hunger nach Liebe, den Wunsch nach Geborgenheit in Sugar Kanes Wesen zu offenbaren. Solche Bilder machen den Kern von Wilders Komödien-High-Light aus.
Da tritt Ulrich Peters, der Intendant des Theaters Münster, natürlich in ganz, ganz große Fußstapfen, wenn er Sugar - Manche mögen‘s heiß inszeniert. Das ist das Musical, das auf Billy Wilders Film basiert. Doch Peters stellt sich der Herausforderung gelassen. Er versucht nicht, Wilders Blick auf die Geschichte nachzuempfinden, sondern erzählt den Plot des Films unglaublich unterhaltsam und mit großem Drive. So entsteht ein absolut amüsanter Theaterabend, der mitnimmt und fesselt. Peters und sein Regieteam unternehmen alles, um ihr Publikum in Sugars Bann zu ziehen. Die Basis für‘s Gelingen dazu legen Jule Stynes herrliche Songs, die in ihrem Abwechslungs- und Melodienreichtum ein paar vorhandene Längen in der Handlung durchaus zu kaschieren wissen. Da werden swingender und groovender Weise die Zeiten der Prohibition und der Chicagoer Bandenkriege lebendig wieder herauf beschworen.
Blitzschnelle Szenenwechsel ermöglicht Andreas Beckers flexibles Bühnenbild, das auf der Szene rapide einen Schlafwagen im Zug, das Foyer eines Luxushotels in Miami und einen Strand vor den Augen des Publikums entstehen lässt. Jason Franklin choreografiert wendige Tableaus: Üppige Nachtclubszenen, ein Strandballett mit Wasserball und vor allem immer wieder wunderbare Auftritte der Unterwelt-Gang von Gamasche, den er selbst auch steppend darstellt. Ulrich Peters behält bei allem scheinbaren Wirbel und Chaos auf der Bühne den Überblick und sorgt mit Sicherheit, Ruhe und klarer Personenführung dafür, dass am Ende Sugar Kane ihren Liebsten bekommt und der Millionär Osgood Fielding auch seine Traumprinzessin - auch wenn die in Wirklichkeit ein Mann ist.
Den großen Erfolg von Sugar verdankt Regisseur Ulrich Peters vor allem der großartigen Team-Leistung, zu der sein Haus fähig ist. Es ist der Opernchor, der in vielen kleinen Rollen ein komplexes Bild des Roaring Chicago zeigt und dessen Mitglieder auf das Feinste beweisen, dass sie mühelos switchen können von individuellen Charakterzeichnungen zu kollektiven Massenszenen. Auch ohne die Mitglieder des TanzTheaters wäre Sugar - Manche mögen‘s heiß nie zu einem solchen Erfolg geworden. Mitreißend, mitnehmend wird getanzt, ansteckend fordern die Tänzer*innen auf, teilzunehmen am Geschehen.
Bei allem Lob der Kollektivität bleiben natürlich Komplimente auszusprechen für die Solisten im Ensemble. Und da gehen an diesem Abend die Lobhudeleien vor allem in Richtung der Herren. Das heißt nicht, dass Suzanne McLeod als Bandleaderin Sweet Sue nicht goldrichtig besetzt ist. Im Gegenteil, ihr liegt der Swing im Blut. Und Schauspielerin Ulrike Knobloch in der Titelpartie weiß auch sängerisch vollkommen zu überzeugen.
Doch dieses Mal sind es die Herren, die sich ob ihrer Unsicherheit im Geschlechterwirrwarr in die Herzen spielen: Gerhard Mohr als Millionär auf Freiersfüßen, dem das letztliche Geschlecht seiner Angebeteten egal ist. Und Florian Soyka als Joe, der sich als Josephine unsterblich in Sugar verliebt. Vor allem aber ist es Christoph Rinke als Jerry. Er ist als Daphne einfach wunderbar, staunt über sein Leben im anderen Geschlecht und leidet ganz köstlich.
Thorsten Schmid-Kapfenburg und das Sinfonieorchester Münster lassen die Zwanziger Jahre unnachahmlich wieder auferstehen. Ein perfekter Abend zum Abschalten.