Übrigens …

Die Liebe zu den drei Orangen im Theater Münster

Drei liebenswerte Südfrüchte und eine fiese Köchin

Was macht einen wirklich gelungenen Theaterabend aus? Bietet ein Drama, eine Tragödie gar die höchste Erfüllung? Oder ist es doch eine Farce, ein Boulevardstück vielleicht? Darüber streitet der in Gruppen dividierte Chor gleich zu Beginn. Doch was auch immer stimmt: im Theater Münster kommt jeder auf seine Kosten.

Denn Sergej Prokofjew nimmt in seiner Liebe zu den drei Orangen Elemente aller Gattungen auf. Nicht zu ernsthaft natürlich, immer mit einem Spritzer Ironie, einem Quäntchen Parodie und einem großen Teil Humor. So ist das Märchen vom hypochondrischen Prinzen, der von einer Hexe zur Liebe zu drei Orangen verflucht wird, eine einzige unglaublich kurzweilige Geschichte. Und skurril und schon eine recht wahnwitzige Angelegenheit…

Doch mal von vorne: Da will König Treff seinen Sohn, der sich Krankheiten einbildet und lethargisch nur vorm Daddel-Automaten hängt, auf den „rechten Weg“ bringen. Dabei soll Lachen helfen und der Harlekin Truffaldino soll‘s richten. Das klappt auch, doch dann kommt besagte Hexe ins Spiel, dazu eine thronräuberische Clique, noch ein Magier und dann drei Orangenprinzessinnen. Schon nichts mehr verstanden? Es wird noch verrückter, versprochen; endet aber natürlich mit einem Happy-End.

Den Weg dahin erzählt Sebastian Ritschel, Operndirektor an den Sächsischen Landesbühnen, in einem von Anfang bis Ende höchst vergnüglichen Opernabend mit riesiger Lust an Überzeichnung und an Farbe. So wogt der Chor als orangenes Meer über die Bühne. Die ist ein Spielcasino mit einem riesigen Spielautomaten als Hintergrund und einem Pokertisch für Zauberer-Spiele-

Bestechend aber vor allem: alles ist ständig in Bewegung. Nie herrscht Stillstand. Nie aber auch gibt es überflüssige Bewegungen. Denn unglaublich perfekt setzt Ritschel Prokofjews Musik, die so facetten- wie anspielungsreich daher kommt, in Bewegung um, mit einer Präzision die staunen macht und pures Vergnügen bereitet. Und so wird das Publikum hereingezogen in den Sog des Bühnengeschehens, lässt sich mitreißen bis zum Schluss- auch von Prokofjews Musik. Golo Berg und sein Sinfonieorchester Münster zeigten sich äußerst bewandert in der hohen Kunst, eine vertrackte Partitur zum Klingen zu bringen, als sei sie federleicht zu stemmen.

Und auch das Ensemble war gefordert, nicht nur stimmlich, sondern auch sportiv-bewegungstechnisch. Dem wurde vor allem Pascal Herington als Truffaldino gerecht, dessen Tenor ebenso biegsam ist wie seine Gliedmaßen. Er dürfte nach jeder Vorstellung an Gewicht verlieren, da er scheinbar einen Marathon auf der Bühne zurückzulegen scheint. Ihm in nichts nach steht Garry Davislim als Prinz - ebenfalls in beiden Disziplinen.

Beide sind umgeben von einem absolut ausgewogenen Ensemble, das das Vergnügen an einem tollen Prokofjew- Abend abrundet und zeigt, wie gut und breit die Musiktheatersparte hier aufgestellt ist. Ein besonderer Spaß-Faktor ist Michael Zehe als monströse, sexbesessene Köchin. Einen riesigen Anteil am Gelingen dieser Produktion haben Opern- und Extrachor des Theaters Münster, die von Joseph Feigl bestens vorbereitet worden sind, und ihre Spiel-und Bewegungsfreude, sowie den Spaß an der Musik Prokofjews allen Anwesenden vermitteln.

Begeisterter Applaus des Publikums ist die logische Konsequenz eines wirklich komischen Abends, der in Münster sicher jede Menge Zuhörer*innen finden wird.