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Dido and Aeneas / Wassermusik im Theater Hagen

Kunststücke mit Barockmusik und Akrobatik

Henry Purcells Dido and Aeneas hat gerade einen Run. In Köln konzertant aufgeführt, in Duisburg für die Ruhrtriennale im Spätsommer in der modernen Collage von David Marton als Dido and Aeneas Remembered angekündigt, in Trier mit Francis Poulencs La Voix Humaine kombiniert, hatte in Hagen nun Premiere als spartenübergreifender Doppelabend aus der nur einstündigen englischen Oper und einem Ballett auf Georg Friederich Händels ähnlich lange „Wassermusik" Premiere.

Was für eine geglückte konzertierte Aktion! Denn Opernregisseur Francis Hüsers, Hagens ehrgeiziger Intendant in der zweiten Saison, und der italienische Choreograf Francesco Nappa erzählen die Liebestragödie nach dem Ende des Trojanischen Krieges einmal aus der Perspektive der um ihren gefallenen Gatten trauernden Karthagischen Königin Dido, die sich in den Trojanischen Prinzen Aeneas verliebt und aus dem Leben scheidet, als er wieder in einen Krieg zieht - im Ballett dann aus Aeneas' Sicht.

Da sind die unterschiedlichen Akzente vorprogrammiert: hier weibliche Emotion pur zu berückend lyrischen Barockklängen - dort jugendlich-jungenhafter Übermut und triumphierender Eros auf festliche Fanfaren. Optische Bindeglieder sind die mobilen, ästhetisch hocheleganten geschwungenen Wände und Stufenelemente von Kaspar Glarner - unregelmäßig gestreift vorwiegend in Blau- und Grautönen in der Oper, wie aufgefächerte antike weiße Säulen im Ballett.

Raffiniert und elegant sind auch die opulenten Opern-Kostüme anzuschauen - vor allem die wallenden Gewänder der Geister, deren Innenseiten flammend rot glänzen, wenn zaubernde Hexen (anstelle rettender Götter) auftreten. Symbolträchtig wurde Didos Rüschen-Brautkleid entworfen mit schwarzer Spitze an den Handgelenken besetzt wie der Schleier der trauernden Witwe.

Die TänzerInnen dagegen hüpfen, kullern und turnen wie in Tüll luftig verpackte Kobolde, angeführt von dem drahtigen Portugiesen Goncalo Martins da Silva (Aeneas) und seiner eher robusten Landsmännin Ana Isabel Casquilho (Dido). Kopulieren sie erst ungeniert und ausführlich unter der Dusche, so endet die Affaire überraschend: nicht Dido stirbt, sondern Aeneas ertrinkt in den Fluten des Mittelmeers.

Geben sich in der Oper die hinreißend natürliche Cristina Piccardi als Didos Gefährten Belinda, Amor und Geist lebenslustig und der markige amerikanische Bariton Kenneth Mattice als entwaffnender Lover Aeneas mit Waschbrettbauch und prallem Bizeps, so frappiert die Österreicherin Veronika Haller einmal mehr durch die staunenswerte Vielseitigkeit ihres kultivierten, intonationssicheren, wunderbar lyrisch geführten Soprans.

Den halsbrecherischen Kunstturnformationen und -aktionen des Balletts bietet der Opernregisseur in den Arrangements der Chöre Paroli: da schreitet man gravitätisch wie zur Polonaise oder Pavane, und wendet sich zum Partner, wenn ein Motiv als Echo wiederholt wird - eine pfiffige Idee!

Rodrigo Tomillo, Dirigent beider Musiken, waltet im Orchestergraben mit überschäumendem Temperament. Die Tempi nimmt er sowohl bei Purcell als auch bei Händel rasant schnell. Nicht immer gelingt die barocke Virtuosität auch klanglich den Streichern und dem Blech. Aber die Finger der Flötistin huschen über die Lochklappen wie die Fingerkuppen des Theorbe-Spielers über die Saiten. So weht hinter der Jugendstilfassade ein Hauch barocker Delikatesse neben viel heutigem Theaterzauber.