Übrigens …

Pique Dame im Duesseldorf Oper

Von Liebe und Besessenheit

Der kleine Amor hat es wirklich nicht leicht. Vom Jäger wird er zum Gejagten. Eine Horde Cowboys will ihm an den Kragen, kaum dass er den grüblerischen Hermann mit seinem Pfeil getroffen hat und ihm Liebe zu Lisa beschert.

Und um die Fallstricke der Liebe geht es Regisseurin Lydia Steier ganz besonders bei ihrer Sicht auf Peter Tschaikowskijs Pique Dame. Denn Hermann liebt nicht nur Lisa, sondern auch das Kartenspiel. Lydia Steier breitet wunderbar aus, was passieren kann, wenn zwei Obsessionen nicht zu harmonisieren sind und letztendlich diametral einander entgegen stehen.

In die fünfziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts verlegt Steier die Handlung der Pique Dame - in eine Welt der Schönen und Reichen. Bärbl Hohmann schafft einen für alle Szenen tauglichen Rahmen: eine Vorhangleiste, die die Bühne des Düsseldorfer Opernhauses auf halber Höhe in eckigen Windungen durchzieht und so Optionen bietet, den Raum zu teilen, zu öffnen, zu schließen.

So sehen wir zu Beginn eine Gesellschaft, die unter sommerlicher Hitze leidend in einem Schwimmbad Abkühlung sucht. Dabei wird übereinander gelästert, was das Zeug hält. Da taucht Hermann auf, der die Nacht zuvor in einer Spielhölle verbracht hat, ohne eine Karte anzurühren. Denn er ist latenter Spieler - besessen von den Karten, aber wartend auf den richtigen Augenblick. Wie andere vom todsicheren System beim Roulette träumt Hermann vom Geheimnis der immer gewinnenden Karten.

Und verliebt ist der arme Kerl - ausgerechnet in die Verlobte des Fürsten Jeletzky, wie er erfährt. Dass Lisa auch ihn liebt, beweist sie ihm, indem sie in eine gemeinsame Nacht einwilligt. Als Hermann aber erfährt, dass ausgerechnet Lisas Großmutter das Geheimnis der Karten zu kennen scheint, beginnen zwei Seiten der Liebe sich unheilvoll zu vermischen. Und alles steuert auf ein todbringendes Ende zu.

Steier findet Bilder, die dieses Ende ahnen lassen oder vorwegnehmen wie das Schäferspiel beim Rokoko-Ball. Sie bringt aber auch beide Seiten von Hermanns Liebe auf die Bühne: Nicht nur mit Lisa verbringt er eine Nacht. Auch mit ihrer Großmutter sieht er sich im Traum im Bett, als sie ihm die obsiegenden Karten verrät. Und so verschmelzen beide Pole miteinander. Hermann ist zu einer scharfen Trennung nicht mehr fähig und gleitet in den Wahnsinn ab, der sich bei Steier in einem wilden Traum manifestiert. Lisa erkennt ihren Geliebten nicht mehr und bringt sich um.

Musikalisch bewegt sich das Ensemble der Deutschen Oper am Rhein auf sehr hohem Niveau. Elisabet Strid und Sergey Polyakov als Lisa und Hermann sind ein absolutes Traumpaar. Polyakov zeichnet einen grüblerischen Hermann, der seinen eigenen Erwartungen nicht gerecht werden kann und folgerichtig scheitern muss. Sein Tenor bringt mit sicherem Fundament und tadellosen Höhen alle Nuancen zwischen wild flackernder Hoffnung, aufrichtiger Liebe und völligem Irrsinn zum Ausdruck.

Unglaublich reich an Ausdrucksschattierungen erweist sich der Sopran Elisabet Strids. Sie vermag ihrer Stimme jungmädchenhafte Unschuld genauso zu geben wie kraftvoll-nachdrückliches Beharren. So beglaubigt sie die Lisa bis ins Tiefste berührend, ihre Wandlungsfähigkeit ist ein ganz starkes Ereignis dieser Inszenierung der Pique Dame.

Ihnen zur Seite steht Hanna Schwarz als Gräfin. Nichts an ihr wirkt alt und doch ist sie ein wenig aus der Zeit gefallen. Sie scheint eher aus den zwanziger Jahren zu stammen und kommt ein wenig dämonisch, aber auch betörend daher. Mit kehliger Tiefe bestimmt auftretend, aber auch erotisch hauchend weiß sie Hermann in ihren Bann zu ziehen, aus dem er sich nicht mehr lösen kann. Eine besorgte Großmutter geht eindeutig anders.

Und dann gibt es sie auch: die wahrhaft „russischen“ Stimmen in dieser Produktion. Als Fürst Jeletzki bringt Dmitry Lavrov Wehmut, Schmerz und Seelenpein allererster Güte und frei von Kitsch ein. Alexander Krasnov fügt russische Gemütlichkeit und derbe Fröhlichkeit hinzu. Beide tun das stimmlich auf das Beste disponiert und lassen ihren Bariton mit Freude funkeln.

Gerhard Michalskis Chor fügt sich in Steiers Inszenierung, die durchaus mit großen, personenintensiven Tableaus besticht, mit viel Spielfreude ein. Und er ist gesanglich immer auf der Höhe.

Kapellmeister Aziz Shokhakimov und die Düsseldorfer Symphoniker breiten den Solist*innen und auch dem Opernchor einen wunderbaren Klangteppich aus, auf dem alle ihre stimmlichen Qualitäten entfalten können. Gleichzeitig durchleuchten sie Tschaikowskijs raffiniert gesponnene Partitur, die ganz fein allen Hörer*innen eine unglaublich breite Palette von Gefühlsregungen nahebringt.

Viel Beifall gab es vom Publikum der Freundeskreis-Premiere.