Jubiläums-Offenbachiade in der Baustelle Opernhaus
Es war spannend, nach langer Zeit mal wieder in die ehemalige Kantine der Oper zu kommen; man schätzte sie früher als Statist und auch - inoffiziell - als Quelle preiswerter Getränke in der regulären Opernpause, wenn man denn den Geheimweg durch die vielen Eisentüren und vorbei an der Maske kannte. Nun sollte wenigstens die provisorisch hergerichtete Kantine an den in weiter Ferne liegenden Wiederbezug der Oper erinnern und hoffen lassen: die Rede war irgendwie anlässlich des 200. Geburtstags von Meister Offenbach. Vorbei an unverputzten Wänden, Massen an Kabelbündeln, provisorischen Lampen, mit einem flüchtigen Blick in die Innereien der Oper: hier sollte die Geburtstagsparty stattfinden? Dazu gleich vorweg: Es hat alles auf den Punkt gepasst und geklappt, die Inspizienz von Kathrin Vicinguerra, die Beleuchtung, die Blitze, der Qualm, die Explosionen, die Auftritte, der Maskenwechsel und die Musik. Dirigent Gerrit Prießnitz, regelmäßig in Wien, Chemnitz und an der Oper Köln tätig, hätte gut drei Arme brauchen können, denn er begleitete auf dem Flügel in einer kleinen Seitennische, dirigierte gleichzeitig die Handvoll engagiert aufspielender Gürzenich-Musiker und musste dazu die Sänger führen, dies bei begrenzter Sicht, ohne Bildschirme und ganz ohne Souffleur.
Gelobt werden muss, was oft als „Stiefkind“ bei Rezensionen durchgeht, nämlich die Dramaturgie, hier deren Chef Georg Kehren und Tanja Fasching. Diese Tätigkeit findet - bis auf gelegentliche Werkeinführungen - eher hinter dem Vorhang statt. Im sehr empfehlenswerten Programmheft sind die minutiös redigierten und ausgearbeiteten Texte nicht nur für Offenbach-Fans eine wahre Fundgrube über Vorgeschichte, Rezeptionen undAufführungen.
Die Idee zu dieser Geburtstagsfeier war schon sehr goldig. An einer runden Theke wartet der Kellner Jakob (John Heuzenroeder) auf seinen Feierabend; daraus wird aber nichts, denn allerlei zwielichtige Gestalten bevölkern seine Bar, die angeblich zu einem 200. Geburtstag eingeladen sind. Bald stellt sich heraus: es sind Figuren aus Offenbachs Werken, alle mit einer schriftlichen Einladung. Und natürlich mit einer passenden Arie. Die dem Stammpublikum vertrauten Sänger waren kaum wiederzuerkennen: Matthias Hoffmann, soeben mit dem Offenbachpreis ausgezeichnet, sprach und sang mit dem herrlichem österreichischem Dialekt seiner Heimat. „Ich wollte noch intensiver, aber ich durfte nicht“, verriet er anschließend im sehr schön wiederhergestellten Innenhof. Mit einigen und immer wieder sorgsam geglätteten und quer über die Glatze gelegten Resthaaren war er der perfekte Bösewicht Lindorf aus Hoffmanns Erzählungen. Insik Choi, der Geigenlehrer aus Orphée aux enfers stimmte mal eben - wohl versehentlich - eine Gluck-Arie an und erzielte damit einen kleinen Heiterkeitserfolg im ausverkauften „kleinen Opernhaus“. Man sieht, die Kölner kennen sich aus in Sachen Oper. Sehr reizvoll war überdies, die Sänger mal auf Tuchfühlung und ganz direkt zu erleben.
Ein Knüller an Darstellung und Stimme war auch Judith Thielsen als „schöne Helena“ mit kräftig norddeutschem Akzent, und Jeongki Cho als Frauenmörder und Blaubart mit einem Leporello seiner Opfer. Ganz köstlich dann noch Alina Wunderlin aus dem Kölner Opernstudio als unförmige wie koloraturfeste „Dame vom Markt“ und „Hermine“, die sich wiederholt den Sekt zur Tarnung in einen Ayran-Becher schütten ließ und fleißig das gute Besteck abstaubte. Und sehr schade war es, dass Verena Hierholzer nicht gesungen hat. Die Tänzerin war nämlich die puppenhafte Olympia, wunderschön anzuschauen und stets in Aktion. Das waren aber alle Akteure in diesen knapp eineinhalb Stunden blendender Unterhaltung, mit vielen kleinen und großenteils unbekannten Offenbach-Häppchen, mit immensem Drive und ganz vielen kleinen inszenatorischen Gags, so wenn der Kellner den Champagner über die stilvolle Serviette auf seinem Arm direkt in den Mund der Gäste schüttet. Der zeigte auch zunehmende deutliche Wirkung hin bis zu kleine Händeleien der auf den Gastgeber wartenden Barbesucher. Na klar, der Kellner Jakob war dann selbst der Jubilar, der sich schließlich coram publico seines Bartschmucks entledigte.
Überreichlicher Applaus der rechts und links sitzenden Zuschauer für eine wundervolle Geburtstagsrevue mit immerhin 25 verkürzten Nummern, noch einmal ein Ringelreigen in der runden Bar, und die Offenbach-Geister entschwinden ins Nichts. Aber nur bis zur nächsten Vorstellung (bis zum 9.7.2019).