Shakespeare at the Opera
„Schlag‘ nach bei Shakespeare, denn da steht was drin.“ Als Cornel Frey und Florian Simson dieses Résumé zogen, hatten sie eigentlich - kurz, aber aussagekräftig - die vorangegangenen zwei Stunden zutreffend bilanziert. Denn nicht nur Cole Porter fand für sein Erfolgsmusical Kiss Me, Kate den idealen Stoff bei Shakespeare. Auch viele Opernkomponisten bedienten sich beim Meister. Was liegt also näher, als sich diese Tatsache zu Nutze zu machen. Ville Enckelmann und Karin Hölter, Leiter und Leiterin des Opernstudios der Deutschen Oper am Rhein, konzipierten einen Abend mit Auszügen aus Opern nach Shakespeare-Stoffen: Shakespeare at The Opera. Den idealen Aufführungsort fanden sie im Globe Theater Neuss im Rahmen des diesjährigen Shakespeare-Festivals. Dort konnten die Mitglieder des Opernstudios nicht nur ihre Stärken offenbaren und brillieren, sondern ein kleines Stück weit nachempfinden, in welcher Umgebung Theatercompagnien in der elisabethanischen Ära gearbeitet haben. Rahmen, Klammer, Verbindungselement war Moritz Führmann, der die Opernauszüge mit Texten zusammenknüpfte. Und wie! Mit seinen Miniaturen machte Führmann Lust auf Shakespeare, brachte dem Publikum Charaktere nahe. So war sein Falstaff überhaupt kein fieser, alter Grapscher. Geradezu Mitleid erheischend, kommt er bei Führmann als armer einsamer, aus der Zeit gefallener Mann daher.
Und seine Ophelia muss man erlebt haben. Sie ist in des Wortes tiefstem Sinne schlicht und ergreifend absolut wahnsinnig. So verliebt wie sein Romeo ist, berstend vor Glück, das geht eigentlich gar nicht mehr. Der muss doch einfach gleich platzen! So liefert Führmann tolle Steilvorlagen, die die jungen Sängerinnen und Sänger begeistert aufnehmen und mit ihren künstlerischen Mitteln Shakespeare-Charaktere sehr differenziert zeichnen-
So ist Maria Carla Pino Cury eine zarte Ophélie, die in Ambroise Thomas‘ Hamlet von einem gnädigen Wahnsinn umfangen wird, während Daria Muromskaia als Gounods Juliette anrührend lebenslustig „Je veux vivre“ singt. Bald schon wird ihr kurzes Leben beendet sein.
Andrei Nicoara lobt weinselig den „Wein aus Syracus“, während Maria Boiko als Titelheldin Béatrice in Héctor Berlioz‘ Béatrice et Bénédict voll Zuversicht sicher ist, dass ihr Angebeteter sie liebt. Karina Repova und Sebastià Peris machen gemeinsam einen Ausflug in die angeblich leichtere Muse und geben beschwingt und überzeugend das sich streitende Liebespaar Fred und Lilli in Cole Porters Sicht auf Der Widerspenstigen Zähmung.
Sargis Bazhbeuk-Melikyan als Otto Nicolais Falstaff ist dann eher wieder komischer Alter, während Andrés Sulbarán sich mit großer Liebe und Detailgenauigkeit sich all den großen Liebenden unter den Shakespeare-Helden widmet.
Am Ende dann liefern die Mitglieder des Opernstudios im Verein mit den Ensemblemitgliedern Frey und Simson mit Verdis Schlussfuge aus dem Falstaff Tutto nel mondo è burla, l’uom è nato burlone stimmgewaltig eine Art Quintessenz aus Shakespeares Dramen und Komödien: „Der Mensch ist als Narr geboren“. Ville Enckelmann am Klavier begleitet die geballte Stimmkraft des Düsseldorfer Opernstudios wie schon den ganzen Abend: zupackend und ebenso sensibel. Großer Beifall für alle Beteiligten.