Als die Hoffnung im Meer versank
Ein spartanischer Tisch, davor ein Mann mit Schiffsplänen. Genügsamer könnte kein Musical beginnen. Und wenn die Titanic erst einmal auf dem Meer ist, erzählt auch nur eine Reling von einem Schiff auf hoher See. Doch sobald die Hautevolee der ersten Klasse ihren Champagner schlürft, später die Bürger in der zweiten und schließlich die in der dritten Klasse von einem neuen Anfang in Amerika träumen, nimmt dieses Musical Fahrt auf.
Wenn kurz vor der Pause der Beginn des Untergangs des „sichersten Schiffes, das je gebaut wurde,“ in Bild und Ton umgesetzt wird, ist einer der technisch-inszenatorischen Höhepunkte eines Abends erreicht, der sich in vielerlei Hinsicht vom Durchschnitts-Kitsch normaler Musicals unterscheidet: Es erzählt nämlich von „wirklichen" Menschen, die ihre Träume verwirklichen wollen. Und es wird zum Drama von Schuld und Sühne, wenn sich der Financier des Schiffes, der den Kapitän zuvor mit immer spektakuläreren Geschwindigkeitsforderungen in den Abgrund trieb, zudem dem Schiffskonstrukteur und dem Kapitän die Schuld-Zuweisungen nur so um die Ohren schlagen.
Die Menschen sind es, die dieser 2016 entstandenen Neuinszenierung der 1997 mit fünf Tony Awards ausgezeichneten Titanic ihren Stempel aufdrücken. Da ist Niall Sheehy als Heizer Barrett, der den Funker dazu gewinnt, seiner großen Liebe daheim eine Botschaft zu schicken. Hinreißend ist Wendy Ferguson als Alice Bean, die sich mit Verve den Männern der Hautevolee an den Hals wirft - ohne jedoch die Liebe zu ihrem Mann verlieren zu wollen. Ein ganz besonderes Paar sind die beiden Strauss‘. Sie erinnern, voller Poesie, Humor und Liebe, an ein in der Neuzeit aufgetauchtes Paar Philemon und Baucis aus der griechischen Mythologie: „Kinder und Frauen zuerst“ hieß es vom Käpt'n, doch sie sagt: „Nein! Ich bleibe!"
Thom Southerland sind grandiose Bildlösungen gelungen, die die Erzählung von Peter Stone ebenso effektiv wie liebevoll ins Bild setzen. Diese Titanic-Inszenierung mit ihren zwei Dutzend Darstellern und der Musik von Maury Yeston wurde zurecht mit stehenden Ovationen in der Kölner Philharmonie verabschiedet.