Belshazzar im Martinikirche Münster

Hochmut kommt vor dem Fall

Hochmut kommt vor dem Fall: Die Babylonier und ihr König Belshazzar verspotten das Heer der Perser, das unter Cyrus herangerückt ist, um die gottlose Stadt Babylon zu erobern. Und dafür Rache zu nehmen, dass Belshazzar das Volk der Juden in Gefangenschaft hält und nicht davor zurückschreckt, deren heiligen Tempelschätze zu entweihen. Mitten in dem Trinkgelage zu Ehren der babylonischen Götter erscheint die unheimliche Feuerschrift, das „Menetekel“. Was Belshazzar indes nicht abhält von seinem gottlosen Tun. Und so rennt er in sein Verderben.

Georg Friedrich Händels Oratorium Belshazzar war bei seiner Uraufführung 1745 nicht wirklich ein Erfolg. Das Ganze geriet - nüchtern betrachtet - sogar zu einer ziemlichen Pleite. Was man heute kaum nachvollziehen mag, wie die halbszenische Aufführung durch den Kammerchor St. Lamberti in Münster deutlich belegte. Denn Händels Musik ist schlichtweg mitreißend und ruft geradezu nach der Bühne, auf der dann all die dramatischen Geschehnisse rund um die Protagonist*innen auch optisch erfahrbar werden können. Das gilt sowohl für bewegende Arien wie auch für temporeich angelegte Chorszenen und geradezu schwindelerregende Fugen, in die sich der Chor unter der Leitung von Alexander Toepper mit Verve stürzte. Doch nicht nur stimmlich war der Chor hier gefragt, sondern auch schauspielerisch. Denn Benedikt Borrmann und Pia Oertel sorgten mit ihrer halbszenischen Einrichtung dafür, dass das Geschehen eindrücklich zur Geltung kam. Und so wandelten sich die Chorsänger*innen abwechselnd von Babyloniern zu Persern und zu Juden, schilderten mimisch und gestisch deren Sicht auf das, was gerade passierte. Nicht einfach für einen Laienchor, neben einer tadellosen musikalischen Umsetzung sich auch noch auf Bewegung konzentrieren zu müssen. Das aber gelang hervorragend.

Wie überhaupt der gesamte Abend sich zu einem tollen Erlebnis rundete. Dafür sorgten neben dem Chor auch eine intelligent angelegte Lichtregie (die Martinikirche lieferte hierzu eine perfekte Infrastruktur!) und durchweg hoch professionelle junge Solist*innen. Janina Hollich sagte als Prophet Daniel furchtlos den Untergang der Stadt voraus. Markant mit raumgreifendem Bass sang Yannick Debus den von Rache erfüllten Gobryas. Warm und demütig trotz aller Siegesgewissheit gab Julia Spies den Perserfürsten Cyrus. Sie formte so einen echten Gegensatz zu Kieran Carrel, dessen strahlender Tenor den Hochmut des Titelhelden blitzen ließ. Ergreifend Carine Tinney als dessen Mutter Nitocris, die Klagen und Trauer sanft, still leidend und innig heraufbeschwor. Ihr Duett mit Cyrus gehörte zu den anrührendsten Momenten des Abends.

Den hielt Alexander Toepper mit sensibler Leitung großartig zusammen. Und das elfköpfige, „historisch informiert“ agierende Barockensemble St. Lamberti sorgte dafür, dass Chor und Solist*innen sich wie auf Händen getragen fühlen konnten. Begeisterter Applaus - und die Erkenntnis, dass es durchaus lohnt, Händels Belshazzar wieder in den Blick zu bekommen. Einige Oratorien des Meisters (darunter etliche Male der Saul) sind in den zurückliegenden Jahren ja immer wieder gern einmal szenisch umgesetzt worden - der münstersche Belshazzar ist da allerdings ein Novum.