Der Rosenkavalier im Oper Bonn

Zahm und voller Grazie

An diesem zweiten Weihnachtstag finden ganze Familien ins Bonner Opernhaus. Im Foyer nehmen sie Aufstellung zu Erinnerungsfotos. Regisseur Josef Ernst Köpplinger serviert die zur aufgeräumten Atmosphäre passende Produktion. Das hat seinen Preis. Denn das erotische Qui pro quo kommt denkbar züchtig über die Rampe.

Ochs verliert dabei deutlich an Profil. Seine Zudringlichkeiten und Übergriffe mildert Köpplinger bis zur jovialen Harmlosigkeit. Weshalb dieser Freier von Anbeginn auf Sophies völlige Ablehnung stößt, bleibt unerfindlich. Der Grund dafür muss offenbar weniger mit dem Mann selbst zusammenhängen als mit der Liebe auf den ersten Blick zum attraktiven Rofrano. Die Annäherung des jungen Glücks gerät zum Kabinettstück, wenn die beiden konversierend mit ihren Sesseln aufeinander zurücken, aber sich unter den strengen Augen der Leitmetzerin immer wieder zur Rückkehr in die Ausgangspositionen genötigt sehen. Sophie wächst zur bemerkenswertesten Figur dieser Produktion. Zunehmend gewinnt sie an Statur. Töchterlicher Gehorsam wandelt sich in Aufsässigkeit, diese in erwachsen-souveränes Betragen. Dabei bewegt sie sich geradezu tänzerisch durchs Geschehen oder sitzt trotzig wie eine von ungünstig verlaufenden Proben entnervte Ballerina auf dem Bühnenboden. Die Marschallin ist einmal tatsächlich so besetzt, wie sie Hofmannsthal und Strauss imaginierten, sehr jugendlich und das Alter mehr fürchtend, als tatsächlich davon betroffen zu sein.

Johannes Leiacker liefert routiniert bühnenbildnerische Dutzendware. Drehbare verspiegelte und beschlagene Pfeiler definieren den Einheitsraum. Im Schlafzimmer der Marschallin prangt ein Riesenstrauß roter Rosen an der Wand, bei Faninal ein niederländisches Stilleben. Für das Beisl genügen ein Schanktresen und Thonetstühle.

Bei Dagmar Morell herrscht kostümlich die Entstehungszeit vor. Ochs ist ein durchaus nicht geschmacksverirrter Landedelmann. Sophie huscht im weißen Elfenkleidchen über die Bühne. Am Schluss wird sie mit einem allerliebsten blauen Mantel bedacht, der schon jetzt preisverdächtig als eines der schönsten Kostüme der Spielzeit ist.

Dirk Kaftan balanciert mit dem Beethoven Orchester Deftigkeit und Delikatesse sorgsam aus. Zunächst exzellieren Blech und Holz, später auch die Streicher. Martina Welschenbach bietet für die Marschallin jugendliche Anmutung und schlankstimmige Eleganz auf. Durch weiche und runde Tongebung nimmt der Octavian von Emma Sventelius für sich ein. Louise Kemény ist eine auch vokal frische und anmutige Sophie. Tobias Schabel gibt dem Ochs stimmlich nahezu alles, wessen dieser bedarf, nur eben die rustikale Note nicht. Giorgos Kanaris ist ein verlässlicher Faninal. Alle weiteren Mitglieder des Riesenensembles tragen angemessen zu dieser gelungenen Produktion für die ganze Familie bei. Beim von zahlreichen Bravi durchsetzten Schlussapplaus streckt der kleine Junge in der Vorderreihe den Solisten seine beiden erhobenen Daumen entgegen.