Übrigens …

L'elisir d'amore im Wuppertal, Theater

Wahre Liebe siegt

Bunt geht es zu auf der Bühne - in schrillen Farben und immer mit viel Bewegung. Da ist dieser Doktor Dulcamara, ein richtiger Scharlatan, der mit dem (vermeintlichen) Anpreisen eines ganzen Arsenals an angeblichen Heilwässerchen seiner Kundschaft alles Mögliche verspricht. Da ist Belcore, der Mann an der Spitze einer kleinen Armee, die eher wie die Karikatur einer solchen daherkommt und angesichts der grellfarbenen Pril-Blumen auf den Uniformen nicht gerade Respekt erheischend wirkt. Adina, eine junge Frau aus gutem Hause, steckt in einem feierlich schwarzen Outfit und liest eifrig die Geschichte von „Tristan und Isolde“. Nur Nemorino passt mit seinen halblangen Hosen und Pullunder nicht ganz in diese Welt aus schrägen Typen, denen es in erster Linie um Lust und gute Laune geht, sollten beide auch nur von kurzer Dauer sein.

Die Geschichte, die Gaetano Donizetti in L‘elisir d‘amore erzählt, ist bekannt: der schüchterne Nemorino traut sich nicht so recht, Adina seine totale Verliebtheit zu gestehen; Adina nimmt ihn erst einmal gar nicht ernst. Belcore ist erfolgreicher und angelt sich umgehend Adinas Hand, während Dulcamara seinen Heidenspaß daran hat, einen stinknormalen Bordeaux als Wundertropfen zu versilbern. Nun ja: bei Nemorino scheint‘s ja zu wirken. Seine Zunge löst sich, sein Liebesbekenntnis kommt ihm über die Lippen und erreicht Adinas Herz. Am Ende liegen sich beide liebend in den Armen!

Bis dahin ist in Wuppertal allerhand los, in jedem Moment bescheren uns Regie, Ausstattung und Choreografie viel Futter für die Augen und das Zwerchfell. Schon gleich zu Beginn, wenn nicht, wie im Libretto, Landleute eine Arbeitspause einlegen sondern Personen von gestern, vorgestern und heute auftreten. Offenbar Menschen, die in der Geschichte der Stadt Wuppertal (respektive Barmen und Elberfeld) eine Rolle gespielt haben. Ein wenig Lokalbezug wollte Regisseur Stephan Prattes in seiner Inszenierung herstellen - was für auswärtige Besucher*innen nicht zwingend erkennbar sein kann, aber auch nicht sein muss. Weit über Wuppertal hinaus berühmt wurde dagegen - nur die Älteren werden sich allerdings unmittelbar oder mittelbar daran erinnern können - der Elefant Tuffi: der fuhr vor siebzig Jahren als Werbe-Gag des Zirkus‘ Althoff mit der Schwebebahn durch Wuppertal - bis es dem Tier zu viel wurde, es eine Waggontür aufbrach… und in der zehn Meter tiefer gelegenen Wupper landete! Ein (wenngleich retuschiertes) Bild ging seinerzeit um die Welt. Jetzt schwebt Tuffi in quietschendem Rosa vom Schnürboden des Opernhauses auf die Festgesellschaft nieder und sorgt beim Publikum für größte Heiterkeit, zumal auch der Opernchor in Elefantenkostümen steckt. Und dann sind es immer wieder witzige Details und überraschende Effekte, mit der Prattes‘ Inszenierung punkten kann. Hubpodeste helfen dabei ebenso wie die Drehbühne, raffinierte Lichteffekte, eine aktive Bühnenmaschinerie, die Wände hinauf- und herabfährt, unglaublich fantasievolle Kostüme, ein unüberschaubares Portfolio an Requisiten… - große Ausstattung also, die ihre Wirkung nie verfehlt. Und doch kommt die Liebesgeschichte Nemorino-Adina nicht zu kurz. Dass sie stets glaubwürdig und anrührend bleibt, liegt an dem formidablen Solisten-Quintett, das mit Herz und Horn ganz bei der Sache ist. Da bleiben keine Wünsche offen. Sangmin Jeon erweist sich als etwas hilflos leidender Nemorino, dessen Tenor gleichwohl immer strahlt, mitunter sogar etwas zu viel. Ralitsa Ralinova zeigt ihr selbstbewusstes Ego im Umgang mit den Männern und mobilisiert hierfür ihren lupenreinen, quicklebendigen und absolut höhen- und koloraturensicheren Sopran. Sebastian Campione fühlt sich pudelwohl als schlitzohriger Quacksalber, macht darstellerisch wie sängerisch mit seinem raumgreifenden Bass eine ausnehmend gute Figur. Das gilt uneingeschränkt auch für den etwas polternden Soldaten Belcore, dem Simon Stricker ganz die rechte Statur verleiht, und für Wendy Krikken als erfrischende, stimmlich bestens disponierte Giannetta.

Was aus dem Orchestergraben tönt - auch das macht Freude! Johannes Pell entwickelt sowohl ungebremsten „Drive“, sprühende Vitalität - kostet aber auch ruhige Momente voll und ganz aus, in denen Donizettis Musik lyrisch fließt. „Una furtiva lagrima“, die berühmte Romanze des Nemorino, ist dafür nur ein Beispiel von vielen.