Tiefe Blicke
Der erste Akt der Walküre geht als Stück im Stück durch. Zudem besitzt er jenes Kammerspielformat, das immer wieder zum Vergleich mit den Dramen Ibsens herausgefordert hat. Eben diese Qualitäten der gewissen Selbstständigkeit und scharf umrissenen Figurenpsyche rechtfertigen die Herauslösung. Gespielt wird auf physischer Distanz von 1,5 Metern bei stummer Aktion und 3 Metern während des Singens . Dennoch gelingt Regisseur Ulrich Proschka, die Personage mitten aus Musik und Text heraus agieren zu lassen. Proschka bringt dazu die zahlreichen Hinweise auf die Blicke, mit denen sich das Wälsungenpaar beäugt, in Wagners Regieanweisungen und Figurenrede, zu allererst aber, was davon en detail aus der Musik selbst spricht, auf die Bühne. Einander ins Auge fassend, messen Siegmund und Sieglinde das Spektrum von bloßem Wohlgefallen bis zu wechselseitiger Versenkung aus. Solche Blick-Intensität in Hundings klinischem Heim, wo sogar Nothung desinfiziert wird, weckt zwar des Hausherrn Missfallen und Zorn, stellt ihn aber von Anbeginn auf die Verliererseite. Udo Hesses Bühne zielt aufs Notwendigste. Ins Zentrum der Bühne stellt er den abgesägten Stumpf der Esche aus Hundings Halle, darauf befestigt die monumentale Tischplatte, zu der des Baumes Stamm verarbeitet wurde. Reduziert wie die Bühne gibt sich der auf vier Musiker herunter gefahrene Orchesterpart für zwei Klaviere, Cello und Schlagwerk, den Andreas Fellner vom Dirigentenpult aus nicht recht austariert. So bewähren sich denn Ghislain Portier am Cello und - höchst differenziert - Ralf Baumann an der Pauke kammermusikalisch, während die beiden Konzertflügel ebenso vergeblich wie unangemessen Monumentalität und Opulenz zu suggerieren suchen. Dorothea Herbert beglaubigt die psychische Intensität ihrer Sieglinde ganz aus der intimen Atmosphäre dieser Produktion heraus durch berührende Piani und inwendiges Leuchten. Markus Petsch verleiht Siegmund nachdrücklich-tenorale Statur. Matthias Wippich färbt Hundings Drohungen mit Sarkasmus.