Frauenpower
Nach dem wegen einer Erkrankung abgesagten ursprünglichen Premierentermin fällt das Ereignis nun auf den Sonntagnachmittag. Kein Hindernis dafür, dass die Produktion Energie erzeugt wie ein Kraftwerk.
Die Usancen eines monarchischen Kleinstaates sind in einem ehemaligen Hoftheater wie dem Detmolder Haus selbstredend bekannt. Balkanische Verhältnisse und drohender Staatsbankrott eher nicht. Jedenfalls bleibt das Portrait des Theaterbauherrn und letzten regierenden Lippe-Detmolder Fürsten Leopold IV. im Foyer hängen, während das des pontevedrinischen Amtskollegen auf der Bühne zunächst in die Schieflage gerät, um dann von der Wand zu fallen. Wie in der balkanischen Heimat selbst, so hat in der Pariser Botschaft des Landes der Schlendrian Einzug gehalten. Da hilft es auch nichts, wenn der Gesandte der mehr oder minder geneigten Öffentlichkeit eine Panzerattrappe vorstellt, angesichts derer sich der böse Feind offenbar totlachen soll. Kein Wunder, dass Botschaftssekretär Danilo seinen Dienst höchst nachlässig versieht und die Zeit mit Grisetten und Champagner weitaus sinnvoller verbringt, als sich dem Vaterland zu widmen. Für Pontevedro ist ohnehin nichts mehr zu holen, außer den zwanzig Millionen der Glawari. Dem steht bei Danilo bekanntlich die Liebe im Weg. Weil aber die Witwe ihn unbedingt will, bleibt ihr nichts anderes übrig, als den Widerspenstigen bis in dessen Erschöpfung hinein zu zermürben. Was die Glawari dazu an Strategie und List aufbietet, könnte den pontevedrinischen Streitkräften als leuchtendes Vorbild dienen. Final schlummert der zur Strecke gebrachte Lebemann in ihren Armen ein.
Regisseur Otto Pichler serviert alles dies mit dem Sinn für die Titelfigur als ebenso emanzipierter wie bodenständiger Frau, die sich mit Durchblick und dem Herzen auf dem richtigen Fleck und - falls nötig - großer Klappe holt, wen oder was sie braucht. Ausgehend von einem dunklen, hohen Marmorsaal zeigt sich die Bühne von Jan Freese wandlungsfähig und praktikabel, eine Flugzeuggangway sorgt für effektvolle Auftritte. Den kostümlichen Glitzerkram würfelt Falk Bauer mit Sinn fürs ironische Detail optisch attraktiv durcheinander.
Auch musikalisch überzeugt die Produktion. Francesco Damiani hat den Chor des Hauses solide und verlässlich einstudiert. Hye Ryung Lee lässt mit dem Symphonischen Orchester des Landestheaters pures Raffinement aus dem Graben steigen. Dirigentin und Symphoniker musizieren genüsslich aus, was sich Lehár an Impressionistischem bei Debussy und an Klangmagie bei Richard Strauss geborgt hat. Die Walzerseligkeit steht dem nicht nach und fesch wird es auch. Immer aber sitzt Dirigentin und Orchester der Schalk im Nacken. Emily Dorn ist eine hinreißende Witwe. Ob glamouröse Diva oder mit Chansonettenattitüde, Dorn bringt mit famosem Augenaufschlag ihre Partie vokal und darstellerisch auf den Punkt. Todd Boyce gibt einen grundsympathischen Danilo, der rasch auf die baritonal elegante Linie findet. Valencienne wird von Penelope Kendros durch vokale Anmut ausgezeichnet. Stephen Chambers ist Camille de Rosillon. Andreas Jören erübrigt für seinen Zeta eine ganze Menge Bonhommie. Jens Krause ist ein Prachtexemplar von Njegus.