Macbeth im Theater Duisburg

Finsternis

Es sei eines der „schwärzesten, nihilistischsten, apokalyptischsten Stücke“, die William Shakespeare geschrieben und Giuseppe Verdi vertont haben, lässt sich Regisseur Michael Thalheimer im Programmheft zu seiner Inszenierung des Macbeth am Theater Duisburg vernehmen. Recht hat er. Und genau so wirkt das an Mordopfern reiche Drama in Thalheimers Lesart auch: Schwarz, morbid, verhangen, von dichten Nebeln eingehüllt – und einfach grausam. Es geht um nichts anderes als um Macht, um Stärke. Danach trachtet Macbeth, dasselbe treibt vor allem auch seine Gattin, die Lady Macbeth um. Koste es, was es wolle! Pech nur, dass beide scheitern und sich am Ende der Oper im Jenseits wiederfinden!

Finster und brutal ist Thalheimers Version des Stoffes. Das nicht aufzuhaltende Geschehen findet statt auf einer von Henrik Ahr anthrazitfarben gehaltenen Bühne in Form einer Halfpipe, ohne dass sich Scater auf ihr bewegen würden. Stattdessen sind es die Protagonisten der Oper, die verzweifelt diesem einengenden, kalten, ja lebensfeindlichen Raum immer wieder entkommen wollen, bei ihren Versuchen aber kläglich scheitern und an den steilen Wänden schlichtweg abrutschen. Kein Umfeld, das irgend glücklich machen könnte! Zumal es unablässig bedroht wird. Von dem Chor der Hexen etwa, die Macbeth nicht nur die ersehnte Königskrone prophezeien, sondern auch sein Ende. Schließlich kommt diesem Schwachen, vom General zum König Aufgestiegenen im dritten Akt ja der Wald von Birnam leibhaftig entgegen: Malcolms Soldaten. Seine Feinde. Und Macbeths Todesurteil!

Thalheimers Inszenierung verbleibt von Anfang bis Ende in dem Einheitsbühnenbild von Henrik Ahr. Und vielleicht ist es dieser Umstand, der diese letzte Opernproduktion der diesjährigen Spielzeit an der Deutschen Oper am Rhein etwas langweilig macht. Die Spielfläche ist arg beschränkt. Und die ziemlich bald nach Beginn der Geschichte durch und durch blutverschmierten Protagonisten bewegen sich darauf gemächlich. Allenfalls der Chor bringt etwas Dynamik in die Aufführung, wenngleich Thalheimer ihn eher uniform und etwas plakativ behandelt: die Hexen in schlohweißem langen Haar, Malcolms Soldaten mit den erwartbaren Zweigen in den Händen, die punktgenau von oben herab auf die Spielfläche geworfen werden. Ansonsten viel stehendes Theater, viel Deklamation an der Rampe, viel abziehbildhafte Gestik, aber wenig Action!

Womit diese Inszenierung punkten konnte, ist die musikalische Seite! Stefan Blunier stand als Gastdirigent am Pult der Duisburger Philharmoniker, die ein unglaubliches Spektrum an Gefühlen, an Emotionen, an Dramatik entwickelten. Zarte, geradezu liebevolle Streicher, balsamisches Holz, knackiges, mitunter triumphales Blech… so wurde Verdis Partitur in jedem Moment lebendig und packend! Gleiches galt für den von Gerhard Michalski superb vorbereiteten Chor, Herren und Damen gleichermaßen! Das war eine Wucht. Und ein klangstarkes Pfund, mit dem dieser Macbeth im Besonderen und das Haus am Rhein im Allgemeinen wuchern kann. Nun gut, an wenigen Stellen hat es ein wenig geklappert zwischen Chor und Orchestergraben. Das wird sich in den folgenden Repertoirevorstellungen legen!

Als umwerfend gut präsentierten sich Ewa Plonka als Lady Macbeth und Hrólfur Saemundsson in der Titelrolle. Zwei Stimmen, die sich mit Haut und Haar in ihre Partien hinein zu versenken verstanden und trotz der oft statisch angelegten Behandlung seitens der Regie ganz grandios zwischen Verzweiflung und Machtbewusstsein zu changieren wussten. Einfach tolle Rollenporträts!

Banco, Macduff, Malcolm – das sind kleinere Partien, keine Frage. Aber auch sie waren in Duisburg sehr kompetent besetzt und lieferten den Beweis für die sängerische Qualität des Hauses. Mit Bogdan Talos, Ovidiu Purcel und David Fischer, auch mit Valentin Ruckebier als Diener des Macbeth/Arzt/Mörder und „Apparizione“ gibt es da große Talente.

Nach Verdis Otello, den Michael Thalheimer Ende 2018 an der Deutschen Oper am Rhein herausgebracht hat und der ebenso finster und dämonisch war wie jetzt sein Macbeth, gibt es nun zum wiederholten Mal eine Kooperation mit der Opera Ballet Vlaanderen Antwerpen und Gent. Eine gute, eine lohnende Partnerschaft!