Übrigens …

Frau Luna im Detmold, Landestheater

Gendern leichtgemacht

Der Mann im Mond ist eine Frau. Kein Zweifel, Linckes Operette passt ausgezeichnet in die gegenwärtige Genderdebatte. Zwar führt der Erdtrabant im Deutschen männliches Geschlecht. Doch stellt der komponierende Volksaufklärer Lincke den Irrtum klar. Auf dem Mond regiert eine Frau, die Möndin: Frau Luna. Jedenfalls auf Latein und in den romanischen Sprachen. Und fortan auch im Idiom des Lipperlandes und seiner Kapitale Detmold. Dort freilich lebte man nie hinterm Mond. Beste Voraussetzung für Linckes volksaufklärerische Operette. Ihrer restlos überzeugenden Argumente gewiss, starten daher die Detmolder eine Offensive aus Charme und scharfsinnigem Amüsement. Bei Regisseurin Katja Wolff schleudert das Eintreffen herzhafter Erdlinge Berliner und sächsischen Schlags die freundlich libertären Mondbürgerinnen und -bürger mitnichten aus der Umlaufbahn. Vielmehr genießen die Geschöpfe beider Welten einander in ihrem Exotismus und ihrer Fremdheit. Regisseurin Wolff schöpft da aus dem Vollen und geht auch in dieselben. So gebaren sich denn die Erdenbewohner geradeaus und deftig, die Mondwesen skurril und voll moussierenden Temperaments. Frau Luna höchstselbst findet mehr als nur Gefallen am burschikosen Luftschiffer Fritz Steppke. Wenn es aber diesen zurück auf die Erde und zu seiner Marie zieht, tröstet sie sich – leicht im Nehmen und Lassen - mit Prinz Sternschnuppe. Wolff bringt solchen Pragmatismus heiter und federleicht über die Rampe. In menschlichen und lunaren Beziehungen wartet halt immer irgendwo die Alternative. Bühnenbildnerin Saskia Wunsch imaginiert eine Mondlandschaft mit abgetreppten Hängen. Auf dem Hintergrundprospekt zeigt sich irgendwann groß und nah die Erde. Reizend die detailverliebt-bizarren Kostüme mit oft fliederfarbener Rokokoanmutung, in die Luzie Nehls-Neuhaus das Mondvolk steckt.

Auch musikalisch ist die Produktion eine Wucht. Francesco Damiani ermuntert den Chor des Hauses, sich beschwingt ins Geschehen auf dem Erdtrabanten einzumengen. Mit dem Symphonischen Orchester des Landestheaters unterschlägt Mathias Mönius keineswegs die Schlagerqualitäten der Nummern, bietet aber dennoch die möglichste Delikatesse auf, damit sie nicht zu bloßen Gassenhauern missraten. Bezwingend schlüpft Emily Dorn als Ausbund von Charme, Esprit, Souveränität und (Selbst-) Ironie in die Titelpartie. Nando Zickgraf ist ein grundsympathischer Luftschiffer Fritz Steppke. Wie auch Florian Zanger und Jakob Kunath als seine Kumpane Lämmermeier und Pannecke höchst patente Kerle sind. In Gestalt der Pusebach brennt Brigitte Bauma ein Feuerwerk aus Vermieterinnenegoismus und Gefühligkeit ab. Andreas Jören bietet für Theophil Skurrilität und gewinnenden Charakter auf. Prinz Sternschnuppe beweist bei Ji-Woon Kim Popstarqualitäten. Als Marie bewährt Penelope Kendros lyrische Vorzüge. Auch alle weiteren Ensemblemitglieder tragen zur Leistung aus einem Guss bei, so dass das genderpolitische Anliegen des tonsetzenden Volksaufklärers Lincke seine volle Wirkung entfalten darf. Der Mann im Mond ist endgültig erledigt. Vivat Frau Luna!