Italienische Power im Staatenhaus
Es verblüfft den Berichterstatter immer wieder, was in der Oper den Produktionsteams so alles einfällt. Und da sind die Italiener als „Erfinder“ der Oper oft weit voraus. Das Staatenhaus erlebte eine italienische Power: Die italienische Oper selbst von einem italienischen Komponisten, dann die italienische Regisseurin Cecilia Ligorio, der Italienische Dirigent Matteo Beltrami, der Bühnenbildner Gregorio Zurla, die Kostümbildnerin Vera Pierantoni und der Lichtdesigner Marco Giusti. Auch Omar Montanari, der Sänger des Don Magnifico, ist Italiener. Nur die Choreografin des unglaublichen Herrenballetts, Daisy Ransom Phillips, ist aus Amerika; sie arbeitet allerdings regelmäßig mit der Regisseurin. Bei dieser südländischen Fülle kann eigentlich nichts schiefgehen – ging es auch nicht. Cecilia Ligorio gelang eine hoch bejubelte Arbeit. Diese ist in ganz Italien sehr geschätzt. Sie ist Schauspielerin, Librettistin und Regisseurin, ihre Spezialgebiet ist die Verbindung zwischen Musiktheater und Tanz. Das zeigte sie bei ihrer ersten Arbeit in Deutschland sehr eindrucksvoll.
Es begann mit einer halb bespielten Bühne. Da sitzt jemand auf der rechten Seite an einer alten Schreibmaschine und tippt verzweifelt vor sich hin, wirft jede Menge Geschriebenes weg. Das konnte eigentlich nur Alidoro sein, der Philosoph Rossinis, der sich hier zum Librettisten wandelt, später mit seinem Schreibtisch nach links umzieht, und sich die meisten Zeit literarisch mit dem Stück beschäftigt.
Nach und nach kommen die Protagonisten auf die Bühne, die beiden durchgeknallten, extrem agierenden Schwestern Clorinda und Tisbe (Jennifer Zein und Charlotte Quast), der Papa Don Magnifico (Omar Montanari) und der inkognito und auf Freiersfüßen agierende Prinz Don Ramiro als Diener (Pablo Martinez) im schlichten blauen Anzug. Sein tatsächlicher Kammerdiener Don Dandini (Wolfgang Stefan Schwaiger) gibt sich als Prinz aus und wird von den beiden Damen und auch von deren finanziell klammen Vater heftig umschwärmt, der auf eine saftige Mitgift spekuliert.
Die Geschichte der Cenerentola, ossia La bontà in trionfo (deutsch: Aschenputtel, oder Der Triumph des Guten) ist sehr alt, wurde immer wieder umgeschrieben „Ruckedigu, Blut ist im Schuh“, das kennt jeder Märchenliebhaber. Rossini verwendet für seine geniale Oper jedoch die Fassung von Charles Perrault und das Libretto von Jacopo Feretti, als harmloseres Erkennungszeichen gibt es ein Armband des Prinzen. Cenerentola ist die Stiefschwester der beiden Schwestern, wird drangsaliert und muss im Hause niedere Dienste verrichten. Der Prinz entdeckt sie und ist begeistert von ihrer Schönheit. Köstlich ist das Liebesduett mit dem Prinzen beim Wäschefalten.
Regisseurin Cecilia Ligorio hat ihrem Ruf gemäß aus der Geschichte ein Broadway-Musical gemacht, mit allerlei bunten und sehr beweglichen Revue-Elementen. Dabei sind die tanzenden Kellner der Oberkracher, die heftige Lachsalven nach sich zogen, genauso wie die Besen schwingenden Putzmänner und die sich bewegenden Tische. Man hatte kaum genügend Möglichkeiten, alles zu registrieren. Da haben die Kostümabteilung und die Maske ganze Arbeit geleistet. Köstlich auch die intensiv sogar vom Dach aus fotografierenden Neugierigen, eine böse Anspielung auf die allgegenwärtigen Paparazzi unter den Schönen und Reichen.
Star der Aufführung war eindeutig die Kolumbianerin Adriana Bastidas-Gamboa, seit Jahren ein Garant für exzellenten Gesang und exzessives Spiel; in jüngster Zeit spektakulär als Carmen und als Rosina im Barbier von Sevilla. Ihr dunkler, oft geheimnisvoller und dennoch sehr beweglicher Mezzo, verbunden mit verblüffend präzisen und mitreißenden Koloraturen, ist immer wieder eine Freude zu hören.
Musikalisch ist ansonsten alles vom Feinsten. Dirigent Matteo Beltrami lässt das sehr aufmerksame Gürzenichorchester einen fein ziselierten Rossini spielen, mit herrlichen Bläserpassagen und ohne die Sänger zuzudecken. Wer genau hinschaute, konnte erkennen, daß er alle Arien mitsang. Theresia Renelt am Hammerflügel begleitete engagiert mit gelegentlichen hübschen Ausflügen in die leichtere Muse. Und interessant: der Souffleuerkasten war ungewöhnlich groß, die Souffleuse dirigierte heftig parallel zu Beltrami. Sonst wäre die komplexe Inszenierung wohl kaum präzise zu stemmen.
Pablo Martinez als Don Ramiro ist der klassische Spieltenor mit mit strahlende Stimme und schönen Koloraturen. Ihm läuft jedoch Wolfgang Stefan Schweiger als sein Diener Dandini den Rang ab mit einem volltönenden, sehr beweglichen Bassbariton und köstlichem Spiel.
Die beiden Schwestern Jennifer Zein und Charlotte Quadt ergänzen sich herrlich sowohl musikalisch als auch szenisch. Als Literat Alidoroerfreut ChristophSeidl mit fantasievollen Spiel in einer ungewohnten Rollendarstellung. Und der ewig betrunkene Don Magnifico (Omar Montanari) versucht seine aufgebrezelten Töchter sehr wohlklingend an den Mann bzw. an dessen Diener zu bringen.
Auch szenisch gab es viel Erfreuliches. Wie der Palast des Prinzen, der nur aus einem riesigen Schriftzug besteht. Originell und nicht so teuer. Oder die Situation, wo der gesamte Herrenchor als Alidoro-Vervielfachung aus dem Ball im Palast des Prinzen beim Anblick der unbekannten Schönen geschlossen in Ohnmacht fällt.