Madrigale von Krieg und Liebe im Theater Münster

Mord und Totschlag

Ein altes Bett steht einsam auf der Bühne. Eines aus weißen Gitterstäben wie früher in Sanatorien. Auf der Matratze liegt ein greiser Mann in weißem Nachthemd und mit weißen Haaren. Dann beginnt leise ein Wind zu rauschen, die Musik hebt an. Bald wird es schwarz, denn befrackte Männer und Frauen mit Zylinder bevölkern die Szene. Schwarz und weiß, hell und dunkel sind die beherrschenden Pole in der jüngsten Musiktheaterproduktion des Theaters Münster. Madrigale von Krieg und Liebe ist sie betitelt und feierte Premiere im Rahmen der „Tage der Barockmusik“ und erinnert an den 375. Jahrestag, an dem der Westfälische Friede geschlossen wurde.

Die Musik speist sich aus dem, was Claudio Monteverdi im Jahr 1638 in seinem 8. Madrigalbuch zusammengetragen hatte. Das war gegen Ende seines Lebens, als er Rückschau auf sein Oeuvre hielt und dokumentiert wissen wollte, was ihm besonders wichtig war. Die Summe seiner Kunst gewissermaßen.

Spätestens nachdem eine von großen Fenstern dominierte Wand vom Schnürboden herabschwebt, wird klar: wir sind tatsächlich in einem Sanatorium. Und im Bett liegt niemand anderes als Claudio Monteverdi. Dieser erinnert sich wie in einem Traum. An Liebe und Schmerz, an Lust und Leidenschaft, an Hoffnungen und Enttäuschungen, die sein eigenes und wohl jedes Menschen Leben prägen. Daraus entwickeln Regisseur Tom Ryser und sein Ausstatter Stefan Rieckhoff abstrakte, zeitlose, gleichwohl sinnfällige Bilder. Schwarz und Weiß wie Tod und Leben, Krieg und Frieden. Monteverdi erzählt davon in seiner emotional berührenden Musik, die Dirigent Clemens Flick für diese Inszenierung am Theater Münster eingerichtet hat. Eine spannende, kurzweilige und farbenreich gestaltete Sache, perfekt umgesetzt vom Sinfonieorchester Münster samt Gästen.

Venus, Amor, Pluto, auch Clorinda und Tancredi – sie alle tummeln sich auf der Spielfläche und ringen miteinander. Mal hier auf Erden, mal im Himmel. Oder in der Unterwelt. Was dort verhandelt wird, unterstreichen Tänzerinnen und Tänzer, choreografiert von Annie Hanauer. Das ihr mehr als „nur“ ein Accessoire sondern eine weitere Interpretationsebene neben Instrumentalmusik und Gesang.

A propos Gesang: der für Monteverdi recht üppig besetzte Opernchor hat jede Menge zu tun. Er begleitet und kommentiert das Geschehen, bringt wie der Tanz viel Bewegung ins Spiel. Eine Handlung mit einem roten Faden gibt es nicht, allenfalls einen Endpunkt: Monteverdis Tod! Bis dahin agieren Dora Pavliková und Wioletta Hebrowska, Anping Lu, Youn-Seong Shim und Ki Hoon Yoo zwei Stunden lang als Solisten in ihren diversen Rollen sehr ansprechend und quicklebendig. Darstellerisch überzeugt auch Benjamin Lyko als Amor und Tancredi. Klanglich indes ist sein kehliger, stellenweise krähender Countertenor extrem gewöhnungsbedürftig.

Noch ein Schwachpunkt dieser Inszenierung: hier prallen zwei ästhetische Welten aufeinander. Im Orchestergraben wird „historisch informiert“ gespielt. Und gar nicht schlecht, im Gegenteil! Gesungen allerdings wird, als ginge es nicht um Monteverdi sondern um Verdi. Großes Vibrato und übergroße Dynamik im Chor, Duette der Soli wie bei Puccini – da passt etwas gar nicht zusammen, allenfalls ganz am Schluss. Da ist Monteverdi, der große und wegweisende Meister aber gerade eben gestorben und bekommt es nicht mehr mit.

Großer Beifall und etliche Bravi für die Musik. Selbst das Regieteam wird gefeiert!