Übrigens …

Das Rheingold im Dortmund, Oper

Ruppige Kerle in der Metropole

Wotan krabbelt noch leicht verschlafen aus dem fellbehängten Nomadenzelt. Der Göttervater und Gattin Fricka schleppen dann grob gezimmerte Tische und Stühle fürs Frühstück heran, während sie über die Zukunft debattieren. Nach und nach gesellt sich die ganze Nordmänner-Sippe hinzu, und wenn später die beiden Riesen erscheinen, um Lohn für ihre Bauarbeiten einzufordern, wird natürlich am Tisch verhandelt, womöglich mit einem kräftigen Schlückchen Met.

Es herrscht eine rustikale Stimmung in den zentralen Szenen von Richard Wagners Rheingold. Regisseur Peter Konwitschny ist im dritten Jahr seines Nibelungen-Rings an der Dortmunder Oper beim Vorabend der Tetralogie angelangt: Die Reihenfolge der Stücke, das betont er immer wieder, ist hier willkürlich gewählt, jedes solle für sich stehen. Ein Konzept, das damit wirbt, kein übergeordnetes Konzept zu bieten.

Für Das Rheingold verzichten Konwitschny und Jens Kilian, der in diesem Teil die Ausstattung besorgt hat, scheinbar auf den Rhein. Immerhin locken die drei koketten Töchter des Stroms den am Orchestergraben angelnden Alberich mit ihrer flussfarbenen Haarpracht und entschlüpfen ihm dann in die üppigen Falten des roten Vorhangs. Das ist, wie die meisten Szenen des Abends, altmeisterlich klar und gewitzt inszeniert. Und wenn das titelgebende Rheingold dem erfolglosen Mädchen-Angler erscheint, räkeln sich diese Mädchen auf einem goldglänzenden Riesenlaken, das Alberich dank seines Fluchs auf die Liebe effektvoll rauben und mit ihm entschweben kann.

Konwitschnys Plan, jedes Stück für sich zu betrachten, wirkt hier auf den ersten Blick sogar in die Abfolge der Szenen hinein. Denn nachdem die Riesen Jugendgöttin Freia entführt haben, um sich von Wotan das Rheingold rauben zu lassen, geraten Wotan und sein Ratgeber Loge in eine düster glitzernde Metropole der Moderne, wo Alberich sich zum smarten Manager gemausert hat. Sein Tarnhelm ist der Tablet-Computer - und es ist wirklich schade, dass der Regisseur die entsprechende Szene als schwaches Schattenspiel verpuffen lässt. Und wer schon Konwitschnys Siegfried gesehen hat, dürfte staunend die Verwandlung des Goldschatzes in ein Atombomben-Depot betrachten: eine diskutable Interpretation, die allerdings in der späteren Oper keine Rolle mehr spielt. Kein übergeordnetes Konzept eben.

Dirigent Gabriel Feltz hingegen scheint in größeren Zusammenhängen zu denken. Auch im Rheingold fällt natürlich wieder seine Arbeit am Detail mit den guten Dortmunder Philharmonikern auf, worunter nur der Sog des Stückes bisweilen stockt, etwa beim gebremsten Gesang der Rheintöchter. Deren Sängerinnen sichern der Aufführung allerdings ein ebenso hohes vokales Niveau wie, stellvertretend für alle, die beiden Gegenspieler Tommi Hakala als Wotan und Joachim Goltz als Alberich. Und Feltz steuert sehr klar die Schlüsselmomente des Stückes an, lässt gefühlt das triumphale Erklingen des späteren Schwert-Motivs zum dynamischen Höhepunkt der Aufführung werden, um schon auf Die Walküre hinzudeuten.

Hier lässt auch Peter Konwitschny noch einen Trumpf aus dem Ärmel. In der Donner-Szene nämlich ist Wotans ruppige Familie in eine moderne Altengruppe verwandelt worden, die in der Seniorenresidenz von den früheren Rheintöchtern gepflegt wird. „Abendlich strahlt der Sonne Auge“, singt Wotan, was der Regisseur ebenso witzig wörtlich nimmt wie Loges Beobachtung „Ihrem Ende eilen sie zu“. Dass ausgerechnet Jugendgöttin Freia als erste das Zeitliche segnet, ist ein wunderbar zynischer Gag.