Übrigens …

Die Piraten von Penzance im Dortmund, Oper

Erwachsenwerden - ein Kampf mit sich selbst

Eine Jungen-Gang aus einem Waisenhaus macht die Gegend unsicher: Coole Sprüche haben die hübsch anzusehenden Boys drauf - sind dann aber doch ziemlich verunsichert, wenn sie auf toughe Girls vom Mädchen-Internat treffen...

Regisseur Alexander Becker verlegt kühn Arthur Sullivans Die Piraten von Penzance in die 80er Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts und verwandelt die viktorianische Komödie flugs in eine Coming-of-Age-Geschichte. Im Zentrum: Frederic, unfreiwillig einer der Piraten, der am Tag seines 21. Geburtstags aussteigen will. Und der sich in Mabel verliebt, in die Tochter des Generalmajors Stanley. Daraus entwickelt sich - wie so oft bei Arthur Sullivan und seinem Librettisten William Schwenck Gilbert - eine reichlich krude Geschichte, die aufzudröseln ist.

Und das gelingt im Großen und Ganzen wirklich gut. Vor allem auch, weil hoch motivierte Akteur:innen auf der Bühne stehen. Für dieses partizipative Projekt bietet die Oper Dortmund wirklich alles an Nachwuchs auf, was ihr zur Verfügung steht. Damit kann sie in hohem Grade prunken und punkten, denn in Dortmund wird Arbeit mit Kindern und Jugendlichen schon seit langem groß geschrieben: mit dabei sind die OpernYoungsters, die OpernKids, die YoungSymphonics und zur Unterstützung der Universitätschor der TU Dortmund. Menschenmassen also, die es zu bewegen galt auf der - in diesem Fall gottseidank - großen Bühne des Dortmunder Opernhauses. Das ist eine große Herausforderung für einen Regisseur, der zudem Obacht geben muss, seine zentralen Aussagen nicht aus dem Blick zu verlieren. Becker meistert dies und zeigt, wie die Protagonist:innen während der Geschichte an Selbstbewusstsein gewinnen, sich gegen Widerstand zur Wehr zu setzen lernen. Bei der zeitlichen Verortung schwirren dem älteren Zuschauer natürlich immerzu John Travolta und Olivia Newton-John in Grease durch den Kopf: es ist schon erstaunlich, wie die Probleme im Prozess des Erwachsenwerdens sich bis ins Heute hinein noch immer gleichen.

Bei der Bewegung der Massen auf der Bühne hingegen bleibt das Ganze eher statisch und etwas zu „unrund“. Das allerdings wird ausgeglichen durch Jutta Maas‘ hinreißende Choreografie des Schlusskampfs, in dem sich beide Gangs und die Polizei in einem Fight „jede/r gegen jede/n“ gegenüberstehen. Das ist großartig fein und detailreich gearbeitet wie auch die anschließende Versöhnung, in der sich natürlich auch queere Paare finden.

Alle Beteiligten dieser Produktion sind mit Feuereifer dabei, werfen sich mit großem Spaß in die Produktion und glühen für ihre Rollen. So soll es sein. Auch die YoungSymphonics unter Stefan Scheidtweiler geben alles. Alexander Becker entwirft eine pointierte Textfassung. Dennoch schwebt eine Frage durch den Raum: Taugt Sullivans handwerklich gut gemachte, dennoch leicht angestaubt wirkende Gebrauchsmusik noch für Bühnen des 21. Jahrhunderts?

Dem Premierenpublikum ist das ziemlich egal: Es johlt, pfeift, trampelt und klatscht ausdauernd. Und feiert zurecht seine großen und kleinen Held:innen auf der Bühne!