Übrigens …

Salome im Wuppertal, Theater

Tanz mit sieben Eiferern

„Man töte dieses Weib!“, kreischt König Herodes. Gemeint ist seine Stieftochter Salome, die ihn nötigte, den begehrten Propheten Jochanaan hinzurichten, um ihn endlich küssen zu können. Doch niemand ist da, um den Befehl des Königs auszuführen. Muss er selbst Hand anlegen?

Es sind Details wie dieser Schluss der Oper Salome, die den besonderen Zugriff der Regisseurin Andrea Schwalbach ausmachen. Im schwarzen, archaisch anmutenden Bühnenraum von Britta Leonhardt lässt sie ein Psychodrama abspielen und verzichtet auf aktualisierende Fingerzeige: Das „Land Palästina“ ist eben der biblische Handlungsort, und das Judenquintett sowie das Nazarenerduo kommen als Karikaturen religiöser Eiferer daher, wie sie der Komponist Richard Strauss durch bizarren Kontrapunkt einerseits und Kitsch-Harmonik andererseits gezeichnet hat. Später werden diese sieben Figuren anstelle der sieben Schleier in Salomes Tanz einbezogen.

Die dunkle Wucht des Dramas steht auch im Zentrum der musikalischen Gestaltung. Wuppertals Generalmusikdirektor Patrick Hahn kostet all die Klangentladungen aus, die ihm das bestens disponierte Sinfonieorchester bietet. Die schwarzen Töne der Holzbläser beim Vergleich von Jochanaans Zisternengefängnis mit einem Grab sind ebenso eindrucksvoll wie die Fluch-Klänge des schweren Blechs. Auch durch die Ensemble-Passagen steuert Hahn souverän. Das Geheimnisvolle, Filigrane der Partitur ließe sich wohl noch raffinierter gestalten, aber in der Premiere faszinierte vor allem die üppige Fülle.

Ermöglicht wird diese Fülle durch eine eindrucksvolle Auswahl der Gastsolisten, die das heimische Ensemble anführten. So ist die junge finnische Sopranistin Helena Juntunen nicht nur darstellerisch eine überzeugend eigenwillige Kindfrau, sondern hat offenbar auch keine Mühe, die Klangwogen aus dem Orchestergraben zu überstrahlen. Ihr kristallines Timbre lässt die Herkunft aus dem lyrischen Fach fast vergessen, aber für die finalen Verzückungen der Figur zeigt sie auch Innigkeit in der Stimme. Mit Matthias Wohlbrecht als Herodes und Gundula Hintz als Herodias besitzt die Aufführung ein ebenso durchschlagkräftiges Königspaar, was den familiären Auseinandersetzungen dieses Trios die nötige Spannung garantiert. Michael Kupfer-Radecky schließlich zeigt, dass Jochanaan eine musikalisch vielschichtige Figur ist, wenn man seine Ansprachen mit einer perfekten Kombination aus Legatokultur und Kraft gestaltet.

Was Salome am zunächst begehrten und dann geköpften Jochanaan sucht, zeigt die Inszenierung mit der Nähe, die sie den beiden Figuren zugesteht: Salome umschlingt den statuarisch abwehrenden Mann geradezu, doch ihre Lockungen sind vergebens. Jochanaan wendet sich ihr dann aber in geradezu väterlicher Gestik zu, um sie von ihrem Irrweg abzubringen - ebenso vergebens. Eine Vaterfigur könnte sie gebrauchen, dieser Mann aber ist es nicht. Stattdessen wird sie vom lüsternen Stiefvater Herodes umschmeichelt, dem sie dafür mit dem „Tanz der sieben Schleier“ in der Choreografie von Kati Farkas eine bemerkenswerte Schau darbietet: Assistiert vom Pagen der Herodias verwandelt sie sich optisch in eine Doppelgängerin ihrer eigenen Mutter. Kein Wunder eigentlich, dass die nach Salomes schockierender Forderung, als Lohn den Kopf des Jochanaan zu bekommen, triumphierend ruft: „Meine Tochter hat recht getan!“

Theaterblut und den Schockmoment des abgeschlagenen Kopfes bietet die Inszenierung natürlich auch. Das Publikum im Wuppertaler Opernhaus hat sie genossen: Der ebenfalls üppige Premierenbeifall zeigte es deutlich.